Die chinesische Shopping-Plattform Temu bietet oft extreme Schnäppchen aus allen erdenklichen Produktkategorien – von Mode über Elektronik und Freizeitartikeln bis hin zur Wohnausstattung. Die Angebote stehen jedoch immer wieder in der Kritik – zu billig, zu unsicher und nicht selten irreführend. Nun gerät auch die Werbung zunehmend in den Fokus: Hier sollen glücksspielähnliche Elemente manipulative Kaufanreize vermitteln.

Temu scheint im Internet regelrecht allgegenwärtig zu sein. Wird kein Ad-Blocker verwendet, sind die bunten, durchgestylten Produktvorschläge ein echter Dauerbegleiter bei der täglichen Nutzung von Suchmaschinen, Wetterdiensten, Social-Media und Co. Im Jahr 2023 soll im Netzwerk von Meta, zu dem auch Facebook und Instagram gehören, kein Unternehmen so viele Promotionen geschaltet haben wie der chinesische Online-Händler: Das berichtete das Wall Street Journal. Auch bei Google gehöre Temu demnach zur Top-Fünf der größten Werbekunden.

Man lockt Interessierte über entsprechende Anzeigen mit Minipreisen, erstaunlichen Rabatten von bis zu 90 Prozent und immer wieder skurrilen Produkten. De facto liegt es zu einem erheblichen Teil an der starken Werbeaktivität, dass sich Temu rasend schnell auf dem deutschen Markt etablieren konnte. Laut einer Erhebung vom Marktforschungsunternehmen Appinio - das in diesem Jahr übrigens auch eine Untersuchung zur Frage „Was würden sich die Deutschen bei einem Jackpot-Gewinn NICHT kaufen?“ durchgeführt hat - war jeder Vierte 16- bis 65-jährige Deutsche bereits Kunde bei Temu. Das bedeutete für 2023 den vierten Platz im Ranking der erfolgreichsten Online-Handelsplattformen in Deutschland. Unter den Shopping-Apps mit den meisten Downloads hat es laut den Internetanalyse-Experten von Similarweb sogar für den ersten Platz gereicht.

Tatsächlich ist vor allem die Werbung innerhalb dieser App Stein des Anstoßes. Hier hat das Unternehmen noch einmal mehr Spielraum als bei seinen großen Werbepartnern und nutzt diesen auch aus. Besonders die mitunter in den Anzeigen verpackten Minispiele, Glücksräder und andere Gamifications seien laut Verbraucherschützern und Politik problematisch. Behörden und Parteien warnen eindringlich: Derartige Promotion-Methoden seien teilweise manipulativ und machten süchtig. Es werden Verstöße gegen das Digitale Dienste-Gesetz der EU vermutet. Dennoch gibt es kaum juristisch erfolgversprechende Handlungsmöglichkeiten.

Gamification-Marketing von Temu soll glücksspielähnlich sein und manipulative Kaufanreize schaffen

Vor allem in der Temu-App wird mit speziellen Methoden geworben, die besondere Kaufanreize schaffen sollen. Viele Formate hätten einen spielerischen Charakter und es seien sogar Glücksspielelemente zu erkennen, so Michael Wessel, Stiftungsprofessor für E-Commerce an der Universität Jena, in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender MDR. Man kann dort an Glücksrädern drehen, Punkte sammeln oder sogar bestimmte Missionen erfüllen, um (meistens) noch günstigere Angebote zu erhalten.

Insgesamt animiere diese Ausrichtung massiv dazu, dass Kunden die Plattform immer intensiver nutzen und schließlich mehr kauten würden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen mahnte an, dass bei Temu die Grenzen zwischen Unterhaltung und Konsum verwischen. Das sei manipulativ und damit rechtlich problematisch.

Da gerade jüngere Menschen einen Draht zu derartigen Features hätten, seien diese einer starken Manipulationsgefahr ausgesetzt: Das sagte Verbraucherschutz-Staatssekretärin Christiane Rohleder zum MDR. Daten aus den USA belegen jedoch, dass ältere Generationen ebenfalls immer häufiger bei Temu kaufen und somit ebenso über maßgeschneiderte Werbung bei der Stange gehalten werden.

Rohleder äußerte sich auch bei Horizont, dem Fachmagazin der Werbebranche, kritisch:

„Spiele, Glücksräder, Rabatt-Countdowns etc. suggerieren unglaubliche Rabatte und Schnäppchen. Temu setzt ständig neue Kaufanreize.“

Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die manipulative Gestaltung von Online-Plattformen im Digitale Dienste-Gesetz der EU verboten wurde. Es sei wichtig, dass entsprechende Regelungen jetzt durchgesetzt werden.

Kann es das Digitale Dienste-Gesetz der EU richten?

Im Digitale Dienste-Gesetz der EU ist unter anderem festgeschrieben, dass Designelemente, die durch ihre Gestaltung dazu in der Lage sind, Empfänger zu täuschen bzw. zu manipulieren und in ihrer Fähigkeit der freien Entscheidung zu beeinträchtigen, einen Verstoß darstellen. Wenn die Gerichte die spezifischen Werbepraktiken von Temu in dieser Richtung einstufen würden, gäbe es grundsätzlich erfolgversprechende juristische Optionen.

Da wäre jedoch ein gewichtiger Knackpunkt: Das Gesetz ist (kurioserweise) auf Plattformen mit einer bestimmten Anzahl an Nutzern beschränkt. So lange Temu unter der Marke von 45 Millionen angemeldeten Usern bleibt, kann es dort nicht greifen.

So bleibt vorerst nur die Initiative der Verbraucherschutzorganisationen: Diese haben nämlich die Möglichkeit, Abmahnungen zu verhängen und Klage einzureichen. Laut dem MDR würde man derzeit darüber nachdenken, vor Gericht zu gehen.

Temu bezieht beim MDR klar Stellung zu den Vorwürfen

Gegenüber dem MDR hat sich ein Sprecher von Temu zu den Vorwürfen geäußert. Er widerspricht den Bedenken des Verbraucherschutzes ziemlich sachlich: Die Aktivitäten seien nichts Besonderes – man kenne sie in ähnlicher Form aus Einkaufszentren oder von Volksfesten bzw. Jahrmärkten.

Temu hätte derartige Anschuldigungen nicht erwartet:

„Wir waren ziemlich überrascht, als wir erfuhren, dass unser Ansatz des interaktiven Online-Shoppings als manipulativ empfunden werden könnte. Das war nie unsere Absicht.“

Mehrwerte beim Online-Einkauf stehen für Temu im Vordergrund:

Aktionen wie diese „sind nicht nur im traditionellen Einzelhandel üblich, sondern tragen auch zu einem angenehmen Einkaufserlebnis bei. Unsere zeitlich begrenzten Angebote spiegeln zum Beispiel das Konzept der ‚Flash Sales‘ im stationären Handel wider. Auch unsere Gewinnspiele und Verlosungen orientieren sich an den Aktionen in Einkaufszentren. Gutscheinverlosungen sind in Kundenbindungsprogrammen üblich.“: So der offizielle Kommentar beim MDR. Man würde insbesondere darauf abzielen, „diese Offline-Erfahrungen in die digitale Welt zu übertragen und ein Gefühl von Vertrautheit und Spaß beim Online-Shopping zu vermitteln“.

Der Temu-Sprecher fährt fort:

„Durch spannende Features können Kunden Rabatte freischalten, die unsere ohnehin schon wettbewerbsfähigen Preise noch attraktiver machen. Wir haben positives Feedback von vielen Kunden erhalten, die diese interaktiven Elemente in unserer App schätzen.“

Fazit

Temu sorgt weiterhin für Aufregung und entsprechende Schlagzeilen: Verbraucherschützer und Politiker sehen in vielen Werbemaßnahmen problematische Vorgehensweisen. Vor allem die Gamification-Elemente sollen oft einen glücksspielähnlichen Charakter haben und damit stark manipulativ sein. Kurios scheint dabei (aus Laiensicht), dass gewisse EU-Richtlinien, die entsprechende Vorgänge eigentlich verbieten, im Fall von Temu keine Relevanz haben: Nicht etwa, weil der Tatbestand eindeutig ein anderer wäre, sondern weil die Plattform unter einer bestimmten Nutzergrenze liegt.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/vectors/spin-wheel-fortune-luck-wheel-game-7137017/

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