Erhöhtes Suchtpotenzial durch Sportwetten?
Sportwetten haben im Bereich der Glücksspiele eine besondere Stellung, da man hier einen „gewissen Kompetenzanteil“ haben muss oder „Hintergrundwissen“ nutzen kann. Experten sehen daher in den Sportwetten ein besonderes Suchtpotenzial, was man auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennen kann.
Sportwetten werden gerne als „Glücksspiele mit Kompetenzanteil“ definiert. Man nutzt diesen Terminus, da ein Gewinn zwar im bestimmten Maß, aber eben nicht ganz und gar vom Glück abhängt. Anders als bei Casinospielen ist hier nicht alles Zufall, viel hängt auch vom eigenen Wissen und den Erfahrungen ab, daher lassen sich die Gewinnchancen teilweise beeinflussen. Allerdings ist die Gefahr groß, dass Spieler den Faktor der Einflussnahme überschätzen. Gerade darin sehen viele Suchtforscher ein großes Gefährdungspotenzial.
Statistiken zu Sportwetten in Deutschland
Innerhalb der letzten 4 Jahre von 2012 bis 2016 sind die Summen der Wetteinsätze auf dem deutschen Sportwettenmarkt stetig gestiegen. Wurden 2012 noch 3,46 Milliarden Euro eingesetzt, haben die Deutschen 2016 schon 6,13 Milliarden Euro auf diverse Sportwetten platziert. Dies entspricht einer Zunahme an Einsätzen von 77 % in den letzten 4 Jahren.
In einer Studie des Handelsblatt Research Institutes vom März 2017 zeigt sich, dass 7,4 % der Deutschen schon mal in ihrem Leben Sportwetten ausprobiert haben. ODDSET-Wetten nehmen darunter mit 3,1 % einen relativ großen Anteil ein. Live-Wetten stehen immerhin bei 2,0 %. Die Daten stammen aus einer repräsentativen Umfrage von 2015. Dort ist auch aufgefallen, dass 2,7 % der Deutschen regelmäßig Sportwettenangebote nutzen.
Neue Studie zur Risikoanalyse bei Sportwetten
Der Bremer Psychologe Dr. Tobias Hayer hat letzten Monat eine neue Analyse zum Thema Wettverhalten in Sportvereinen veröffentlicht. Dabei zeigt er vor allem die Gefahren auf, welche für Sportler durch das Wettangebot entstehen.
Wetten in Sportvereinen
Er geht sogar einen Schritt weiter und zeigt auf, dass Sportvereine ein Umfeld für problematisches Spielverhalten bieten. Jugendliche beispielsweise, die auch einen Sport selber ausüben, haben einen gewissen Sachverstand. Diese Kompetenz kann sich aber schnell als Trugschluss herausstellen.
Hayer stützt seine Erkenntnisse auf diverse europäische Umfragen. Unter anderem wurden 294 Mitglieder aus 21 Handball- und Sportvereinen gefragt - 52,4 % der Befragten haben bereits Sportwetten abgeschlossen, bei 5,3 % konnte man sogar ein problematisches Spielverhalten feststellen.
Sind Sportwetten Glücksspiel?
Unter anderem wurde ein Versuch bei den ersten 10 Spielen der Fußball-EM 2008 vorgenommen. Dabei haben 3 Wett-Gruppen (Experten, Amateure und Laien) auf den Spielausgang und die korrekten Spielergebnisse gesetzt. Die Ergebnisse stellten sich wie folgt dar:
Wetten | Experten | Amateure | Laien |
---|---|---|---|
Korrekter Spielausgang | 7,6 % | 7,3 % | 3,3 % |
Korrekte Ergebnisvorhersage | 1,5 % | 1,5 % | 0,55 % |
Für viele Suchtforscher zeigen diese Ergebnisse deutlich, dass man zwar mit einem gewissen Fachwissen die Chance auf eine richtige Vorhersage erhöhen kann, sich es aber dennoch um Glücksspiel handelt und die Ergebnisse oft zufällig sind.
Großes Problem Live-Wetten
Live-Wetten werden von Experten als besonderes Suchtrisiko angesehen. Hier kann innerhalb eines Spieles noch auf den Ausgang oder spezielle Ereignisse gesetzt werden. Daniel hatte bereits vor einigen Jahren darüber berichtet. Ein großes Problem ist hier, dass die Spieler alle möglichen Wetten ohne irgendwelche Vorkenntnisse einfach auf gut Glück abschließen. Ronald Reng, ein bekannter deutscher Sportjournalist, hat das Problem einmal so dargestellt:
Ich kenne einen ehemaligen Bundesligatrainer, der auch leider nur noch Fußballspiele schauen konnte, weil ihn keiner mehr wollte als Trainer. […] Und der hat auch angefangen neben dem Fernseher den Computer einzuschalten. Und da liefen die ganze Zeit Live-Wetten. Da ist natürlich die Gefahr einer Fixierung und dass man gar nicht merkt, was man macht, wie lange man davorsitzt, natürlich stark gegeben.
Suchtberatungsstellen in Paderborn schlagen Alarm
Die Domstadt Paderborn ist in Nordrhein-Westfalen im Bereich Glücksspielangebot die drittgrößte Stadt. In der Stadt gibt es 704 Spielgeräte in 55 Spielhallen - derzeit kommt so ein Spielgerät auf 210 Einwohner - insgesamt werden wohl ungefähr 20 Millionen Euro in den Spielautomaten umgesetzt.
Weitaus problematischer sehen zumindest in Paderborn derzeit die Suchtberatungsstellen das Thema Sportwetten. Neben den problematischen Statistiken haben sie auch konkrete Fallbeispiele. Ein 26-jähriger Angestellter habe beispielsweise in einem Monat bei einem Anbieter 9.218 Euro gesetzt, aber lediglich 2.857 Euro gewonnen, was einen Verlust von 6.271 Euro bedeutet.
Dominik Neugebauer, Leiter der Suchtkrankenhilfe des Caritasverbandes der Stadt, ist der Meinung, dass die Spieler kein Problembewusstsein mehr hätten. Ebenso kritisiert er, dass namhafte Sportler für Tipico und Co. Werbung machen und so dem Ganzen einen seriösen Anstrich geben. Man sieht auch hier, dass die meisten erwachsenen Spielsüchtigen bereits in jungen Jahren mit dem Thema Kontakt hatten. Daher sieht man hier, dass die Verantwortung zur Spielsuchtprävention gestärkt werden muss, so möchte Neugebauer auch Kooperationen mit den Sportvereinen eingehen:
Die Schulen sind ein guter Kooperationspartner und eine Zusammenarbeit mit den Sportvereinen ist ein Ziel, das wir uns gesetzt haben.
Sportwetten sollten nicht unterschätzt werden
Insgesamt sind die Statistiken beim Thema Sportwetten nicht so fundiert wie in anderen Bereichen der Glücksspielbranche. Dennoch sieht man an den Umfragen und Erhebungen bisher, dass Sportwetten immer verbreiteter werden. Was auch nicht verwunderlich ist, da viele Anbieter einige Clubs und Vereine sponsern.
Problematisch ist vor allem die Sichtweise auf diese Art von Glücksspiel. Viele Spieler sehen es nicht als solches an. Aufgrund ihrer Kenntnis der aktuellen Sportsituation und ihrer Einschätzungen würden sie „Vorhersagen über die Ergebnisse“ treffen. Anders als beim normalen Glücksspiel im Casino haben sie nicht einfach Glück gehabt, sondern auf das richtige Ergebnis gesetzt. Sie waren also selbst für den Gewinn verantwortlich, folglich ist es kein reines Glücksspiel - eine Argumentation, die zum exzessiven Spielen führen kann.
Man sollte sich also beim Thema Sportwetten unbedingt ein festes Limit setzen, falls man das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren. Auch eine zeitliche Begrenzung ist aus meiner Sicht sinnvoll, da ich leider Spieler kenne, die einen Großteil des Tages nur mit dem Checken der besten Quoten verbringen, um den maximalen Gewinn zu erzielen.
Bildquelle: By Admiral sportwetten (Own work) GFDL
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5 Kommentare zu: Erhöhtes Suchtpotenzial durch Sportwetten?
Kommentar verfassenAnonym
11.12.2017 um 10:58 UhrStromberg
11.12.2017 um 08:54 UhrMan kann praktisch jederzeit bei der Arbeit, in der Stadt, bei Freunden, wo auch immer Mal eben eine Wette abgeben. Früher hab ich mich... einmal an Tag an den Laptop gesetzt und auf Bundesliga oder CL gesetzt.
Mit dem Smartphone vor ein paar Jahren dann ist es echt immer mehr geworden, teilweise auf absurden Märkten. Irgendwo wird ja immer irgendwas gespielt ðŸ˜
Bin jetzt Mitterweile nur noch bei 3 Anbietern aktiv, hab die anderen Konten geschlossen und hab mir da Einzahlungslimits gesetzt. wurde sonst echt zuviel.
Hab das besonders gemerkt,als ich Mal für 3 Wochen ein altes Handy nutzen musste mit dem ich nicht ins Internet kam.Meins war zur Reparatur.
Erst dachte ich was für eine Scheisse.Aber dann war's richtig entspannt Mal nicht immer das Gefühl zu haben , auf irgendeinen Scheiss wetten zu wollen 😂 Mehr anzeigen
Anonym
11.12.2017 um 10:58 Uhrstrike1
10.12.2017 um 21:58 UhrRiverSong
10.12.2017 um 11:43 UhrUnsere Community lebt von deinem Feedback – also, mach mit!
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