STRG_F: Kriminelle Betreiber bei Tipico & Co. – ein Blick auf die Doku von Malta-Insidern
Das neue investigative Rechercheformat STRG_F hatte eine Reportage über die privaten Wettanbieter in Deutschland, arabische Clans und teilweise Malta gemacht. Unserem GJ-Team auf Malta sind einige Aussagen aufgestoßen, die in diesem Artikel aus unserer Perspektive einmal dargestellt werden sollen.
In diesem Bericht werde ich nicht weiter auf arabische Clans und den Vorgang des Geldwaschens eingehen. Über dieses Thema haben wir keine konkreten Informationen und werden deshalb nicht irgendwelche Spekulationen darüber anstellen.
Ab Minute 12:27 befinden sich die Reporter auf Malta und versuchen, die Wettanbieter ausfindig zu machen. Das Thema wollen wir an dieser Stelle etwas genauer beleuchten, einige Kameraeinstellungen und Aussagen werfen ein falsches Licht auf die Mittelmeerinsel, die nicht so stehen gelassen werden sollten.
Was wird über Malta in der Reportage berichtet?
Wie bereits angedeutet, gibt es einige Aussagen in der Dokumentation, die uns haben aufhorchen lassen. Hier habe ich nur einige Aussagen zu Malta herausgenommen, die man nicht ganz so stehen lassen sollte, da sie die aktuelle Situation der Mittelmeerinsel nicht wirklich widerspiegeln.
Verstecken sich Glücksspielunternehmen auf Malta?
Bei der Ankunft auf Malta wird der Portomaso Business Tower gezeigt. Im 15. Stockwerk sitzt der Sportwettenanbieter Tipico. Interessant ist, dass die Reporter nicht das neue Tipico Gebäude zeigen, welches 7 Stockwerke umfasst und direkt danebensteht. Jeder auf Malta weiß, dass es Tipico als neue Firmenzentrale dienen soll.
Wettshops hat der Anbieter auf Malta keine, so wie die meisten der etwa 300 Glücksspielfirmen, die hier gemeldet sind.
Es ist richtig, dass die meisten Sportwettenanbieter auf Malta keine Annahmestellen wie in Deutschland haben. Eine große Ausnahme ist der Sportwettenanbieter IZIBET, der sowohl eine Onlineplattform wie auch Offline-Standorte hat.
An dieser Stelle sollte man aber kurz erwähnen, dass die maltesischen Glücksspielgesetze strenger sind als in Deutschland:
- Es gibt keine Spielhallen auf Malta.
- Es gibt keine Spielautomaten außerhalb der Spielbanken von Malta.
- Ausweiskontrollen sind an allen Glücksspielstandorten an der Tagesordnung.
- Man kann sich über die MGA sofort für alle Offline-Glücksspielarten sperren lassen (in Deutschland gibt es kein zentrales Sperrsystem außer für Spielbanken).
Die Straße der Bürofirmen
Im Film wird später eine Straße mit den 12 Glücksspielfirmen gezeigt. Leider wurden in den Aufnahmen der Reportage keine konkreten Namen von Glücksspielfirmen erwähnt. Die GambleJoe-Teammitglieder auf Malta haben die Straße relativ schnell ausfindig gemacht und als Triq Ir-Rebha in Gzira erkannt. Zu sehen sind nur Garagentore und Appartment-Blocks. In den Garagen polieren und pflegen die Anwohner ihre Autos und gehen ihrem Hobby nach. Unter anderem befinden sich auch ein kleiner Friseurladen und ein Tante-Emma-Laden in der Straße. Von den angeblichen 12 Glücksspielfirmen ist jedoch nichts zu erkennen.
Wenn man sich dennoch in der Umgebung umsieht, wird man das Gebäude des Glücksspielanbieters Tipbet finden. Auch die Rhinoceros Operations Limited hat ihr neues Büro im erst kürzlich fertiggestellten Business-Tower 14º East, Triq Ir-Rehba.
Die wichtigsten Firmensitze der größten Unternehmen könnt ihr in der folgenden Fotogalerie sehen. Mit dabei sind Tipico, Betsson, Slotsmillion, Casumo, Rizk, Guts und viele weitere Glücksspielanbieter. Die meisten verstecken sich nicht, sondern zeigen ihr Firmenlogo:
Rechts sieht man den Portomaso Business Tower und links das zukünftige Tipico Hauptgebäude
Das Hauptgebäude der Betssongruppe (Betsson, Betsafe und Schnellwetten)
Das Hauptgebäude der Online Casinos NYspins, Duelz und VoodooDreams
Das Bürogebäude der Betreiberfirma von RIZK und Guts
Im Bürogebäude gibt es die Firmen Expekt, Mr Green, Yggdrasil, Royal Panda und viele weitere
Im Foyer des Komplexes findet man die Logos vieler bekannter Hersteller
The Centre - Hauptsitz der Kindred Group
Im Bürokomplex sind bet365, Evolution Gaming, Play'n GO und die Kindred Group untergebracht
Über der Eingangstür hat Casumo ebenfalls das Logo angebracht
Das Büro von NetEnt
Der Arbeitsplatz Quickspin ist ebenfalls gut erkennbar
Der Balkon vom Relax Gaming Büro
In dem Bürokomplex Smart City ist die Malta Gaming Authority
Die Logos sind an den meisten Bürogebäuden der Online Casinos oder Glücksspielgruppen deutlich für jedermann zu erkennen. Gute Beispiele sind St. Georges Bay und Ta´Xbiex, denn hier hat die Betreiberfirma von RIZK und GUTS sowie Betsson Group ihren Sitz. Die meisten Online Casinos führen sogar Touristen oder Spieler durch ihre Räumlichkeiten, wenn sie es möchten.
Für Anbieter wie Videoslots spielt Transparenz hier eine große Rolle. Diese Bilder haben Matthias und Daniel bei einem Besuch bei Videoslots gemacht. Das Management hatte erklärt, dass Spieler gerne nach Malta kommen können und durch die Büroräume geführt werden, wenn sie sich anmelden:
Raum für Treffen und Besprechungen bei Videoslots
Die Supportmitarbeiter bei der Arbeit
Programmierer, Designer und Frontend Developer sitzen hier
Eine Couch für kleine Pausen
Vor knapp 10 Jahren gab es diverse Scheinfirmen auf Malta, aber die Zeiten sind längst vorbei. Gerade wegen der Skandale in der Vergangenheit wurden die Kontrollen immer stärker, sodass Briefkastenfirmen im Bereich der Online Casinos auf Malta nahezu ausgeschlossen sind.
Wo könnten die Server von Online Casinos und Glücksspielfirmen stehen?
In der Reportage heißt es weiter über die 12 Glücksspielfirmen, die man in dem Wohn- und Garagengebiet angeblich gefunden hat:
Hinter den Fassaden stehen entweder eine Menge an Computern, über die die Wetten laufen, oder es sind einfach nur Geschäftsadressen.
Kein Glücksspielanbieter wird Computer oder Server in den eigenen Büros stehen haben. Die meisten Firmen nutzen Rechenzentren. Auf Malta gibt es 8 Rechenzentren, in denen Server für Online Casinos und Softwarehersteller stehen. Eine Übersicht der einzelnen Standorte gibt es auf Data Center Map.
Warum wird Malta von ausländischen Firmen bevorzugt?
Als Begründung, warum viele ausländische Firmen in Malta beheimatet sind, wurden folgende Gründe angegeben:
Malta ist für Wettanbieter attraktiv. Die Steuern sind niedrig und die Lizenzen mit weniger Auflagen verbunden.
Der Aspekt bezüglich der Steuern ist einfach und kurz zu erklären. Der Steuersatz, den eine Gesellschaft auf Malta bezahlt, beträgt 35 %. Davon können Gesellschafter jedoch 30 % zurückfordern. Damit beträgt der effektive Steuersatz 5 % in Malta.
Was die Lizenzauflagen angeht, diese sind strikt geregelt. So müssen die Online Casinos und Sportwettenfirmen zum Beispiel ein Compliance-System vorweisen, um die Malta Lizenz für ihr Unternehmen zu erhalten. Des Weiteren werden diese Verfahren von der MGA durchgeführt, um mögliche Geldwäsche- und Terrorismusunterstützung zu unterbinden. Ferner muss das Tagesgeschäft, wie beispielsweise die Kundenbetreuung, die Buchhaltung, das Marketing oder die Produktentwicklung innerhalb eines Büros gewährleistet werden. Die Regulierungsbehörde besucht die in der Lizenz hinterlegten Adressen unangemeldet, sodass es auffallen würde, wenn es wirklich Glücksspielanbieter gäbe, die lediglich eine Büroanschrift ohne richtiges Büro hätten. Welche weiteren Lizenzauflagen teilweise mit den europäischen Glücksspiellizenzen verbunden sind, hatte ich bereits an anderen Stellen erwähnt.
Die rechtliche Situation von Glücksspiel in Deutschland
In der Reportage wird es so dargestellt, als müsste Deutschland ausländische Glücksspielanbieter akzeptieren, weil es die EU vorschreiben würde. Es hieß:
Was Malta akzeptiert, muss auch Deutschland anerkennen. Die Lizenz gilt auch bei uns.
Deutschland hat 2012 in einem neuen Glücksspielstaatsvertrag versucht, Online Sportwetten zu regulieren. In einer Testphase sollten 20 Lizenzen an ausländische Anbieter vergeben werden. Die Konzessionen wurden durch die Sportwettenanbieter verteilt, aber nicht ausgewählte Firmen klagten gegen die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Begrenzung der Sportwettenlizenzen auf 20 Stück nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist.
Aufgrund der fehlenden Einigkeit der Bundesländer kam es dann zu der heutigen Grauzone im Bereich Online Glücksspiel. Schleswig-Holstein vergab sogar eine eigene Online Glücksspiellizenz, die Deutschland in der Frage nach Online Casinos und privaten Sportwettenanbietern einmal mehr gespalten hat. Seitdem sind Online Casinos und Sportwetten geduldet. Auf Einsätze durch deutsche Spieler werden von maltesischen Anbietern 19 % Mehrwertsteuer und 5 % Wettsteuer abgeführt.
Deutschland hat es seit 2012 nicht geschafft, vernünftige Gesetze in Sachen Online Glücksspiel zu beschließen. Die Online Casinos und Sportwettenanbieter nutzen die rechtliche Grauzone aus, da es genug Spieler in Deutschland gibt, die ihren Service nutzen möchten. Aufgrund des EU-Rechts auf Dienstleistungsfreiheit ist es für sie möglich, die Dienste anzubieten.
Deutschland könnte das Totalverbot von Internetglücksspiel sogar durchsetzen, wenn man es mit dem Spielerschutz oder der Suchtgefahr anhand von Studien belegen könnte. Dies wurde aus politischer Sicht aber bisher versäumt, weshalb einige Experten bereits am Staatsmonopol zweifeln.
Letztlich haben Schweden, Dänemark, Großbritannien und viele andere EU-Staaten vernünftige Regeln für das Online Glücksspiel gefunden. Lediglich Deutschland verschläft die derzeitigen Entwicklungen. Daher muss man an dieser Stelle auch nicht über das EU-Ausland und die dortigen Firmen klagen, die lediglich versuchen, neue Märkte zu erschließen.
Was hat es mit STRG_F eigentlich auf sich?
Strg_F (das Tastenkürzel für Suchen unter Windows) wurde als neues, investigatives Rechercheformat von Panorama vorgestellt. Es arbeitet für das Netzwerk von ARD und ZDF. Junge Journalisten sollen sich auf die Suche nach Hintergrundgeschichten begeben.
Sie wollen wissen, was hinter den jeweiligen Geschichten steckt. Sie sollen komplexe Fragen beantworten und dürfen auch das Scheitern zeigen. Die journalistische Arbeit soll laut einer Pressemitteilung des Norddeutschen Rundfunks transparent, glaubwürdig und nachvollziehbar erfolgen.
Sicherlich kann ein Bericht nie objektiv sein. Ein Reporter oder Schreiber verfolgt immer eine Intention, eine Aussage, die er dem Leser mitgeben möchte.
Speziell der erwähnte Abschnitt bedient ein vorherrschendes Klischee von Malta. Ich persönlich kann mir nicht erklären, warum Reporter extra nach Malta reisen und dann nicht auch die großen Marken der iGaming Branche zeigen. Bereits am Flughafen sieht man die Glücksspielwerbung von einigen bekannten Anbietern. Sie haben große Büros auf Malta, an denen die Marke der Plattform oder meist die Betreibergesellschaft zu finden ist. Warum man sie nicht ebenfalls zeigt, bleibt fraglich.
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2 Kommentare zu: STRG_F: Kriminelle Betreiber bei Tipico & Co. – ein Blick auf die Doku von Malta-Insidern
Kommentar verfassenInsa24
04.06.2020 um 09:17 Uhr"... warum Reporter extra nach Malta reisen und dann nicht auch die großen Marken der iGaming Branche zeigen." - DAS wäre doch mal was für Christian?! Würde ich jedenfalls interessanter finden, als... Berichte über unsympathische OC Streamer 💚 Mehr anzeigen
DiamondDonut
15.06.2019 um 23:16 UhrUnsere Community lebt von deinem Feedback – also, mach mit!
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