Glücksspiel macht Spaß und kann durchaus lukrativ sein. Auf der anderen Seite birgt es erhebliche Gefahren, an deren Spitze die Spielsucht steht. Mit einer solchen Störung gehen verschiedene, nicht selten schwerwiegende soziale Konflikte einher. Die Behandlung ist aufwendig und teuer. Deshalb hat die britische Regierung kürzlich eine Sozialsteuer für alle Glücksspiele beschlossen, mit der jährlich 100 Millionen Pfund generiert werden sollen. Wäre dieser Weg auch etwas für Deutschland?

Die britische Glücksspielindustrie muss erhebliche Steuern zahlen. Die allgemeinen Abgaben liegen bei 15 Prozent der Nettoeinnahmen. Nun ist eine weitere verpflichtende Zahlung hinzugekommen, nämlich eine Sozialsteuer, mit der die gesellschaftlichen Auswirkungen von Glücksspielproblemen abgemildert werden sollen.

Es gab schon lange ein entsprechendes Sozialsystem in England, das allerdings freiwillig war. Dennoch brachte es über die Jahre Hunderte von Millionen Pfund ein. Das Problem lag darin, dass nicht alle Glücksspielunternehmen einen gleich hohen Beitrag leisteten. Einige Betreiber sollen tatsächlich nur 1 Pfund pro Jahr gezahlt haben, wohingegen die großen Konzerne zig Millionen überwiesen.

Im Rahmen der neuen gesetzlichen Regelung sind nun alle lizenzierten Firmen verpflichtet, 1 Prozent ihres Bruttospielertrags - also das, was sie von britischen Spielern einnehmen - zur Unterstützung von Forschung, Bildung und Behandlung abzuführen. Spezielle Bestimmungen für kleine Betriebe stehen im Raum. Auf der Grundlage von Zahlen der Gambling Commission, aus denen hervorgeht, dass die Branche in den letzten 12 Monaten 10 Milliarden Pfund eingenommen hat, sollten 100 Millionen Pfund herausspringen.

Und warum das Ganze?

  1. Ausgangspunkt für die Neuausrichtung der sozialen Abgabe ist zum einen der Plan einer gerechten Verteilung der Zahlungen.
  2. Zum anderen gibt es aber auch besorgniserregende Tendenzen bei der Verbreitung von Spielsucht. In der betreffenden Pressemitteilung der Regierung melden sich dazu verschiedene Sachverständige zu Wort.
Claire Murdoch, Direktorin beim National Health Service (NHS) für psychische Gesundheit, sagte: „Problematisches Glücksspiel kann ein ganzes Leben ruinieren, und das Problem ist in die Höhe geschnellt. Die NHS-Dienste behandeln Rekordzahlen. Unsere neuesten Daten zeigen einen unglaublichen Anstieg um 129 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Schon 2020 warnte GamCare übrigens vor einem rasanten Anstieg von Spielsucht speziell bei Frauen.
Professor Henrietta Bowden-Jones, klinische Beraterin für Glücksspielschäden beim NHS, ergänzte: Glücksspielschäden haben verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Wir wissen, dass 2,5 Prozent der Bevölkerung ein schweres und schädliches Glücksspiel betreiben. Aber es gibt noch viel mehr Betroffene, die bereits unter negativen Folgen leiden, jedoch unterhalb der klinischen Schwelle liegen.

In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: Das britische Spielersperrsystem GamStop meldete im Herbst 2024 Rekordzahlen von nicht weniger als einer halben Million Registrierungen.

Britische Glücksspielbranche ist besorgt

Mit der Einführung der neuen Sozialsteuer regt sich in der britischen Glücksspielindustrie Widerstand.

Vor allem kleinere, lokale Spielstätten befürchten schädliche finanzielle Einbußen. Die Abgabe könnte für sie in einer ohnehin wettbewerbsintensiven Branche existenzbedrohend sein. Viele der großen Marktteilnehmer wie bet365 oder Flutter sind es dagegen bereits gewohnt, einen nicht gerade kleinen Teil ihrer Einnahmen in soziale Anliegen zu investieren. Allein Flutter soll laut britischen Berichten seit 2020 über 70 Millionen Pfund gespendet haben.

Die gesetzlich vorgeschriebene Abgabe wirft somit folgende Fragen auf:

  1. Sollten alle dieselbe Steuerlast tragen?
  2. Und wie gerecht ist die Verteilung der Mittel wirklich?
Der Betting and Gaming Council (BGC) (der Lobbyverband der britischen Glücksspielbranche) äußerte sich zunächst verhalten positiv. Im Jahr 2023, als sich eine verpflichtende Abgabe bereits abzeichnete, begrüßte der Verband den Vorschlag. Man betonte allerdings, dass die Unabhängigkeit der Mittelverteilung gewahrt bleiben müsse. Mit wachsendem politischem Druck kippte die Stimmung. Vertreter wiesen darauf hin, dass insbesondere stationäre Spielstätten mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten. Die Steuer sei bei diesen Voraussetzungen unverhältnismäßig, so die Quintessenz.
Das Statement: „Der BGC spricht sich dafür aus, dass es eine gleitende Skala für landbasierte Unternehmen geben sollte, die viel höhere Fixkosten haben, wie zum Beispiel für Personal und Räumlichkeiten.“
Ein weiterer Zankapfel betrifft die Verteilung der Einnahmen. Bislang war GambleAware (die größte britische Wohltätigkeitsorganisation zur Behandlung von Glücksspielschäden) als Hauptempfänger der freiwilligen Beiträge gesetzt. Allein im Jahr 2023 wurden hier fast 50 Millionen Pfund bereitgestellt. Nun möchte die Regierung die Mittel breiter streuen. Kritiker befürchten, dass damit die wichtigen Erfolge von GambleAware zunichtegemacht werden könnten. Die freiwilligen Spenden waren übrigens 2024 vergleichsweise gering - zumindest im ersten Quartal.
  • Geplant ist, dass zukünftig 50 Prozent dem staatlichen Gesundheitsdienst (NHS) zugutekommen. Dort sollen die Abgaben in den Aufbau eines Behandlungsnetzwerks für Glücksspielschäden investiert werden – von Präventionsmaßnahmen über Therapieangebote bis hin zur oft sehr langwierigen Nachsorge. In England gibt es übrigens auch spezielle Kliniken für Spielsucht bei Kindern oder Jugendlichen.
  • Rund 30 Prozent sind für Präventionsmaßnahmen eingeplant. Das wären unter anderem landesweite Gesundheitskampagnen und Schulungsprogramme für Fachkräfte. In diesen Bereich würde wohl auch GambleAware fallen.
  • Die verbleibenden 20 Prozent gehen an Forschungsinstitute wie UK Research and Innovation (UKRI) und die UK Gambling Commission, also die Lizenzbehörde des Landes. Der Plan ist, damit die Forschung zu Glücksspielschäden zu vertiefen und letztlich eine zunehmend datengestützte Regulierung zu ermöglichen.

Wie sieht es im Vergleich in Deutschland aus – wäre eine solche Abgabe auch bei uns denkbar?

In Deutschland gibt es keine spezielle Sozialsteuer für Glücksspielanbieter. Die Einnahmen aus den Glücksspielsteuern, zum Beispiel der Online-Pauschale von 5,3 Prozent oder der Vergnügungssteuer auf Spielautomaten, landen einfach im großen Topf des Staatshaushalts. Zweckgebundenheit zu Spielsuchtbekämpfung? Fehlanzeige.

Doch ganz ohne Regeln bleibt die Sache nicht: Laut Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) von 2021 müssen Anbieter aktiv etwas für den Spielerschutz tun. Dazu gehören Aufklärungsmaßnahmen, Schulungen für das Personal und strikte Kontrollen, damit Jugendliche keinen Zugang zu Glücksspielangeboten bekommen.

Diese Maßnahmen sind nicht freiwillig. Die Unternehmen müssen sie selbst umsetzen – und das kostet durchaus viel Zeit und Geld. Wer schludert, riskiert Sanktionen. Trotzdem bleiben konkrete finanzielle Beiträge zur Suchtprävention oft eine freiwillige Sache. Im Herbst 2024 forderte die SPD eine Beteiligung von Online Casinos an Therapiekosten, nachdem virtuelle Tischspiele in Schleswig-Holstein zugelassen wurden.

Und jetzt die große Frage: Könnte Deutschland eine verpflichtende Abgabe nach britischem Vorbild einführen?

Eigentlich spricht nichts dagegen. Immerhin sind die Zahlen alarmierend: Laut Glücksspielatlas 2023 zeigen 4,6 Millionen Menschen in Deutschland ein problematisches Spielverhalten. 1,3 Millionen davon gelten als akut spielsüchtig.

Die Politik müsste sich wohl nur trauen. Klar, es gäbe Widerstände. Aber ein geregelter Fonds für Prävention, Forschung und Behandlung? Das könnte ein echter Gamechanger sein – für Spieler und die Gesellschaft. Warum also nicht den britischen Mut übernehmen? Deutschland hätte das Potenzial, hier ein Vorbild zu sein. Das Einzige, was wirklich im Weg stehen könnte, scheint wieder einmal die hiesige Bürokratie zu sein.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/illustrations/hands-to-protect-protection-father-598145/

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