Rubbellose sind auch in Deutschland echte Dauerbrenner unter den Glücksspielen. Im Vergleich mit Tschechien ist die Fangemeinde in unseren Breitengraden jedoch winzig. Die kleinen, bunten Kärtchen mit den Gewinnfeldern zum Freikratzen gelten bei unseren Nachbarn tatsächlich als das meistverbreitete Glücksspiel überhaupt. Rubbellose sind praktisch allgegenwärtig – und genau das hat jetzt die Glücksspielforschung auf den Plan gerufen: Man vermutet hier ein oft übersehenes Suchtpotenzial.

Rubbellose kennt fast jeder. In den letzten Jahrzehnten galten sie als harmloser Zeitvertreib, der weitgehend unbelastet von der strengen (gesellschaftlichen) Regulierung des Glücksspiels blieb. Viele erinnern sich vielleicht noch daran, wie sie als Kinder für Eltern oder Großeltern die Felder auf den Losen freikratzen durften. Rubbellose wurden damals nicht nur über Kioske und Supermärkte verkauft, sondern oft sogar als Werbemittel per Post verschickt. Solche Promos wirkten unschuldig, fast wie eine spielerische Einladung zum Mitmachen.

In Deutschland hat sich die gesellschaftliche und rechtliche Wahrnehmung mittlerweile aber verändert: Rubbellose sind heute klar dem Glücksspielsektor zugeordnet und ihre Regulierung wird zunehmend strenger. Anders sieht es in Tschechien aus, wo die kleinen, bunten Karten noch immer fester Bestandteil des normalen Alltags sind. Egal, ob an der Poststation, im Supermarkt oder am Kiosk – Rubbellose sind fast überall erhältlich. Die Frage „Darf es noch ein Los sein?“ gehört dort zum täglichen Leben wie der Einkauf selbst.

Diese scheinbare Harmlosigkeit trügt jedoch, wie Berichte von Verkäufern nahelegen. Während viele Kunden nur gelegentlich ein Los kaufen, gibt es immer mehr außergewöhnliche Fälle. Besonders zu Monatsanfang, wenn der Lohn frisch eingegangen ist, sollen manche Menschen nahezu ihren gesamten Verdienst für Rubbellose ausgeben. Obwohl Rubbellose oft als kleiner „Alltagsspaß“ betrachtet werden, deutet die steigende Zahl von problematischen Käufern darauf hin, dass sie eine weit größere und kritischere Rolle im Leben vieler Menschen spielen, als bislang angenommen.

Diese Häufung von Extremverhalten hat tschechische Wissenschaftler der Palacký-Universität in Olomouc alarmiert. Sie untersuchten, wie tief Rubbellose in der hiesigen Kultur verwurzelt sind und welche sozialen bzw. psychologischen Auswirkungen dies auf die Bevölkerung hat.

Wissenschaftler legen beeindruckende Zahlen vor

Die tschechischen Wissenschaftler der Palacký-Universität in Olomouc haben beeindruckende und zugleich besorgniserregende Zahlen vorgelegt, die die Dimension der Rubbellos-Nutzung verdeutlichen.

Immense Ausgaben

Zunächst wurde auf Daten der tschechischen Finanzverwaltung verwiesen, nach denen Bürger des Landes in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres (2024) rund 4,75 Milliarden Kronen – etwa 190 Millionen Euro – für Rubbellose ausgaben. Das entspräche einer Verzehnfachung des Umsatzes im Vergleich zu 2012 und untermauert, dass diese Form des Glücksspiels tatsächlich immer mehr in der tschechischen Gesellschaft Fuß fasst.

Risikoverhalten

Psychologische Erhebungen würden zudem nahelegen, dass viele Spieler ein Risikoverhalten aufweisen. Häufig gäben sie deutlich mehr Geld aus, als ursprünglich geplant, was auf den sogenannten Loss-of-Control-Effekt hinweist – ein Phänomen, das vor allem bei Glücksspielen mit schneller Ergebnisfindung, zu denen auch Rubbellose zählen, häufiger auftritt.

Spielsuchtgefahren werden unterschätzt

Die Untersuchungen zeigen, dass die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln, von vielen unterschätzt wird. 61 Prozent der befragten Teilnehmer hielten Rubbellose für ein Glücksspiel mit geringem Risiko. Gleichzeitig stießen die Forscher auf ein interessantes Paradoxon: Personen, die sich grundsätzlich für eine strengere Regulierung von Glücksspielen aussprechen, neigen dennoch häufig dazu, selbst Rubbellose zu kaufen. Diese Diskrepanz belegt die allgemeine Tendenz, dass Rubbellose oft nicht als ernsthaftes Glücksspiel wahrgenommen werden – ein Trugschluss, der das Suchtpotenzial verdeckt.

Rubbellose oftmals als Geschenke

Eine weitere alarmierende Erkenntnis der Studie liegt in der Feststellung einer sehr hohen Akzeptanz von Rubbellosen als Geschenk. 84 Prozent der Befragten gaben an, bereits einmal ein Los verschenkt zu haben – und nicht selten gelangten sie dann in die Hände von Kindern. Die Forscher warnen, dass dies besonders problematisch sei, da Kinder somit frühzeitig an das Glücksspiel herangeführt würden, indem sie für Eltern oder Großeltern die Felder freikratzen. Das präge ihre Wahrnehmung und normalisiere entsprechendes Verhalten, was langfristig problematische Auswirkungen auf ihre Einstellung zum Spiel haben könne.

Demografische Verteilung

Interessant ist zudem, dass Rubbellose das einzige Glücksspiel in Tschechien sind, bei dem mehr Frauen als Männer spielen. Diese geschlechtsspezifische Verteilung stellt eine Ausnahme im Vergleich zu anderen Formen dar, die traditionell von Männern dominiert werden. Regional konnten die Forscher keine signifikanten Unterschiede feststellen – das Rubbellos ist sowohl in ländlichen Regionen als auch in urbanen Zentren wie Prag gleichermaßen verbreitet und tief in die Alltagskultur integriert.

Worin liegt das besondere Suchtpotenzial von Rubbellosen?

Das große Suchtpotenzial von Rubbellosen liegt in einer Kombination aus psychologischen und gestalterischen Elementen, die gezielt darauf ausgelegt sind, das Verlangen nach wiederholtem Spielen zu fördern.

Gestaltung

Ein entscheidender Faktor sei laut den tschechischen Wissenschaftlern die optische Gestaltung. Mit ihren bunten Farben, glitzernden Elementen und auffälligen Slogans wecken die Lose nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern stimulieren das Belohnungssystem im Gehirn. Die Psychologen des Teams heben hervor, dass selbst kleine Details wie die Abbildungen von Tieren oder sogar besondere Gerüche, die einige Lose verströmen, das Kaufverhalten erheblich beeinflussen könnten. Diese multisensorischen Reize erzeugen ein Umfeld, das auf emotionale Reaktionen abzielt – ähnlich wie bei anderen Glücksspielen, bei denen visuelle und auditive Elemente entscheidende Rollen spielen.

Near-Miss-Effekt

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der sogenannte Near-Miss-Effekt, den die Forscher der Palacký-Universität als besonders kritisch beschreiben. Rubbellose sind so gestaltet, dass Spieler oft nur knapp am Gewinn vorbeischrammen. Ein typisches Szenario: Der Käufer rubbelt eine Reihe frei und entdeckt drei identische Ziffern auf den vier Plätzen – es fehlt also nur eine einzige Zahl zum Gewinn. Das knappe Verfehlen aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn (ähnlich wie bei einem tatsächlichen Gewinn) und erzeugt das Gefühl, dass es beim nächsten Mal sicher klappt. Diese psychologische Dynamik erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler sofort ein weiteres Los kaufen, in der Überzeugung, dass der Erfolg unmittelbar bevorsteht.

Ständige Verfügbarkeit

Zusätzlich verstärkt wird dieses Verhalten durch die ständige Verfügbarkeit der Lose. Sie sind in nahezu jedem Einzelhandelsgeschäft erhältlich – und das zügige Spielerlebnis (oft dauert es nur wenige Sekunden, bis das Ergebnis feststeht) sorgt für prompte Erfolge oder, im Fall des Near-Miss, für die Illusion eines beinahe erzielten Gewinns. Der hier vorliegende schnelle Zyklus aus Kauf und Ergebnis lässt wenig Zeit zur Reflexion, was das Risiko einer unkontrollierten Spielweise deutlich erhöht.

Online-Rubbellose

Ein zunehmend wichtiger Faktor ist die digitale Verlagerung des Lotteriegeschäfts. Immer mehr Rubbellose werden mittlerweile online angeboten – und laut der tschechischen Finanzverwaltung erfolge bereits ein Drittel der Verkäufe über das Internet. Anstatt wie früher mit einer Münze die silberne Beschichtung abzurubbeln, streichen Spieler heute mit dem Finger über das Smartphone-Display. Diese digitale Form macht das Spiel noch einmal zugänglicher und beschleunigt den Prozess weiter, was die Wahrscheinlichkeit eines exzessiven Verhaltens zusätzlich steigert.

Fazit

Die Zahlen aus Tschechien verdeutlichen, dass Rubbellose wirklich ein oft unterschätztes Suchtpotenzial haben. Sie sind tief im Alltag der Bevölkerung verankert – und gerade das macht sie so gefährlich. Trotz der scheinbaren Harmlosigkeit zeigen die Untersuchungen, dass viele Spieler in ein riskantes Verhalten abrutschen, ohne sich der Gefahr bewusst zu sein. Ob diese alarmierenden Erkenntnisse zu politischen oder regulatorischen Maßnahmen führen werden, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass das Thema verstärkter Aufmerksamkeit im Land bedarf, um die Risiken langfristig zu minimieren.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/illustrations/ai-generated-man-magnifying-glass-8583125/

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