Im November fand die diesjährige „Gaming in Germany“-Konferenz in Berlin statt. Zu diesem Anlass treffen sich jedes Jahr Angehörige der Glücksspielindustrie und diskutieren den deutschen Markt. Dabei stehen immer wieder auch problematische Themen zur Debatte. Während der 2024er-Ausgabe ging es offenbar besonders kontrovers zu. Wie in der internationalen Fachpresse zu lesen ist, übten die zwei großen deutschen Branchenverbände deutliche Kritik an der Entwicklung bzw. Nicht-Entwicklung der hiesigen iGaming-Landschaft: Illegale Angebote sind demnach im Aufwind.

Die diesjährige „Gaming in Germany“-Konferenz, die im prestigeträchtigen Hotel Adlon Kempinski in Berlin stattfand, stand unter dem vielversprechenden Motto „Moving forward in a highly regulated market“. Doch der Optimismus des Leitsatzes kontrastierte deutlich mit den Diskussionen vor Ort. Der Fokus lag zwar auf den Chancen des regulierten iGamings in Deutschland. Wie die internationale Fachpresse berichtet, dominierten in den Gesprächen allerdings eher Frustration und Kritik.

  • Besonders die führenden deutschen Branchenverbände, sprich der Deutsche Online Casinoverband (DOCV) und der Deutsche Sportwettenverband (DSWV), nutzten die Bühne, um alarmierende Schwachstellen im hiesigen Glücksspielsystem anzusprechen. Aus Sicht der regulierten Anbieter, die seit der Einführung des Glücksspielstaatsvertrags von 2021 ganz offiziell bei uns operieren, sei von einem echten Fortschritt keine Rede. Stattdessen würden die Hürden immer größer, wobei sich illegale Betreiber zunehmend etablieren.
  • Rechtsexperten wie Jörg Hoffmann, Seniorpartner der Kanzlei Melchers & Melchers, beschrieben den deutschen Markt als stagnierend – ein Begriff, der mehrfach während der Konferenz fiel. Hoffmann brachte die Situation treffend auf den Punkt, indem er von einem „Stillstand“ bei der Regulierung des Online-Glücksspiels sprach. Die Kritik zielt auf wesentliche Bestandteile der aktuellen Gesetzgebung ab, darunter die Steuerstruktur. Während die meisten europäischen Länder Gewinne besteuern, erhebt Deutschland Abgaben auf Einsätze. Dies führe dazu, dass regulierte Anbieter im Vergleich zu illegalen Plattformen schlechtere Auszahlungsquoten haben, was viele Spieler zu unregulierten Angeboten treibe.

⚠️ Der deutsche Glücksspielsektor wird oft als Europas potenziell größter iGaming-Markt bezeichnet. Von den immensen Möglichkeiten profitieren derzeit jedoch vor allem unregulierte Anbieter, so die Quintessenz, die man in der Presse lesen konnte.

✋ Branchenvertreter betonten, dass die strengen Bestimmungen den regulierten Markt systematisch ausbremsen. Die „Störfaktoren“ schränken das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Anbieter ein: Das ging aus diversen Statements der Konferenz hervor.

❌ Die Zusammenkunft war auch als Plattform für passende Lösungsansätze gedacht. Diese wurden aber eher kritisch hinterfragt, als konstruktiv gefördert.

Das Ergebnis: Ein enttäuschendes Resümee, das den Handlungsbedarf der deutschen Behörden bzw. Politik einmal mehr deutlich macht.

Branchenverbände sicher: Deutschland spielt zunehmend im illegalen Sektor

Die „Überregulierung“ des deutschen Glücksspielmarkts sorgt nach Ansicht führender Branchenverbände für einen gefährlichen Trend: Immer mehr Spieler weichen auf illegale Plattformen aus.

  • Dirk Quermann, Präsident des Deutschen Online Casinoverbands, sprach auf der „Gaming in Germany“-Konferenz von „ernüchternden“ Umsatzzahlen: Zwischen 2022 und 2024 hätten die Einnahmen lizenzierter Online Casinos deutlich abgenommen. Gleichzeitig bleibt die Zahl der zugelassenen Online-Slot-Anbieter mit nur 39 erschreckend gering – vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Märkten ähnlicher Größe.
  • Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands, verdeutlichte die Schwere der Situation: Die Umsätze lizenzierter Anbieter seien von 9,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 7,7 Milliarden Euro im Jahr 2023 gefallen.

Beide Organisationen betonten, dass ein Rückgang aufgrund einer sinkenden Nachfrage nach Glücksspiel unwahrscheinlich sei. Die fallenden Zahlen würden eher die Abwanderung der Spieler zu unregulierten Angeboten signalisieren. Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung scheine die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) den Ernst der Lage nicht vollständig anzuerkennen.

Schon im Frühjahr dieses Jahres hat der DOCV massive Kritik an der deutschen Regulierung für Online Casinos und der GGL verlautbaren lassen. Etwa zum gleichen Zeitpunkt schaltete sich auch der DSWV mit einer Forderung auf Abänderung der Sportwetten-Regulierungspolitik ein.

Debatte um die Kanalisierungsrate: Offizielle Zahlen vs. Studien von Dritten

Ein zentraler Kritikpunkt der Berliner Konferenz lag zudem in der Frage, wie erfolgreich die derzeitige Regulierung Spieler tatsächlich auf lizenzierte Angebote lenkt?

Laut GGL liegt die Kanalisierungsrate – also der Anteil der Nutzer, die bei legalen Anbietern aktiv sind – bei satten 90 Prozent. Diese optimistische Einschätzung steht jedoch im Widerspruch zu anderen Studien, deren Ergebnisse während der Tagung vorgebracht wurden.

  • Schnabl-Studie: Im Auftrag von DOCV und DSWV wurde 2023 unter der Leitung von Professor Gunther Schnabl an der Uni Leipzig eine Untersuchung angestellt, bei der herauskam, dass in Deutschland nur rund 50 Prozent der Spielerzeit auf regulierten Plattformen verbracht wird. Wir haben im Dezember 2023 darüber berichtet, dass der DOCV nach der Erhebung drastische Änderungen am GlüStV forderte.
  • Daten von Yield Sec: Die Analyseplattform Yield Sec taxierte den Anteil des Schwarzmarktes in Deutschland im selben Jahr auf knapp 47 Prozent.

Eine Untersuchung von H2 Gambling Capital, eines der größten Marktdaten-, Informations- und Beratungsunternehmen für die Glücksspielindustrie, deutet ebenfalls auf deutliche Diskrepanzen hin: Demnach lagen die durchschnittlichen Ausgaben für Online-Glücksspiel pro Erwachsenem in Deutschland 2023 bei nur 23 Euro – ein Bruchteil der Beträge, die in vergleichbaren Märkten wie etwa den Niederlanden (rund 95 Euro) verzeichnet werden. Diese drastische Ausreißerzahl legt laut H2 nahe, dass ein erheblicher Teil der Online-Gaming-Budgets deutscher Spieler in unregulierte Angebote fließt.

Spieler suchen aktiv nach illegalen Alternativen

Im Rahmen von „Gaming in Germany“ wurden auch die zahlreichen Einschränkungen für deutsche Spieler genauer angesprochen: Die strengen Vorgaben auf dem legalen Markt, wie das 1-Euro-Einsatzlimit pro Spin, die monatliche Einzahlungshöchstgrenze von 1.000 Euro oder die obligatorische 5-Sekunden-Regel, scheinen viele Nutzer zu unregulierten Angeboten zu treiben, bei denen sie mehr Freiheiten haben.

  • So ergab eine Analyse einer großen internationalen Informations- und Werbeseite für Online-Glücksspiele, dass monatlich etwa 18.000 Suchanfragen gezielt nach Plattformen gestellt werden, die keine Lizenz in Deutschland haben.
  • Dem stehen lediglich 1.500 Suchanfragen für lizenzierte Angebote gegenüber.

Hier wurde natürlich nur ein relativ kleines Fenster des Gesamtvolumens der Suchen betrachtet, dennoch ist die Differenz erstaunlich und kann durchaus eine gewisse Aussagekraft haben.

GGL: Studien und Reformbedarf

Die GGL erkennt die Notwendigkeit an, den Schwarzmarkt genauer zu analysieren.

  • Ronald Benter, Direktor der Behörde, erklärte auf dem Kongress, dass eine neue Untersuchung der tatsächlichen Kanalisierungsrate beauftragt wurde. Diese solle die Diskrepanz zwischen den offiziellen Zahlen und den Drittdaten klären.
  • Zusätzlich ist eine Überprüfung des Glücksspielstaatsvertrags im Gange, deren Ergebnisse jedoch erst 2026 erwartet werden. Der Zwischenbericht zur Evaluierung des GlüStV gab bereits erste Hinweise auf kommende Änderungen.
Branchenvertreter kritisieren jedoch die langen Zeiträume solcher Auswertungen. Es könne oder müsse in gewissen Fällen schon vorher Handlungsbedarf erkannt werden. Sie bezweifeln, ob die Politik rechtzeitig aktiv wird, um den Abwärtstrend aufzuhalten. Die Forderungen nach Reformen, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit regulierter Anbieter stärken als auch den Schwarzmarkt effektiv eindämmen, werden lauter.

Fazit

Das Gesamtbild der deutschen Glücksspiellandschaft wirkt ernüchternd und von Rückschritten geprägt. Zwar gibt es durchaus Vorwärtsschritte, was wir hier keineswegs verschweigen wollen. Diese sind aber eher klein und zaghaft. Wie wir bereits in unserem Beitrag über den Zwischenbericht zur Evaluierung des GlüStV aufgegriffen haben, stellt die GGL unter anderem flexiblere Erlaubnisverfahren für Online-Slots und eine Ausweitung der Sportwettenoptionen in Aussicht.

Für einige der Konferenzteilnehmer geht das jedoch nicht weit genug: Beispielsweise plädiert Dirk Quermann vom DOCV vor allem für ein Ende der Steuer von 5,3 Prozent auf Spieleinsätze, die regulierte Automaten weit weniger wettbewerbsfähig macht als unregulierte.

Für viele stellt sich die Frage, ob die Regulierungsbehörde jemals in der Lage sein wird, eine proaktive Rolle einzunehmen und aus dem Schatten der Politik herauszutreten. Genau das wird als einer der entscheidenden Faktoren gesehen, um die deutsche Glücksspielindustrie aus dem Überlebensmodus zu einem florierenden Wirtschaftszweig zu transformieren. Moderne dynamische Märkte, zu denen fraglos auch das Glücksspiel gehört, verlangen entschlossenes Handeln und flexible strategische Anpassungen, anstatt nur zu reagieren.

Quelle des Bildes: https://www.gamingingermany.com/conference2024

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2 Kommentare zu: Kritik am „Stillstand“ auf dem deutschen Glücksspielmarkt aus der Branche

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Nur eine Frage der Zeit, bis sich auch einige Anbieter von der GGL trennen werden und bei dem Tempo der Umsetzung auch nicht verwunderlich, wenn wir in einem Jahr wieder bei dem Stand angekommen sind, dass noch mehr Spieler,...   Mehr anzeigen
Wenn man darüber nachdenkt, gelten in den Spielhallen die gleichen Regeln, die 5-Sekunden-Regel. Eigentlich geht es nicht darum, die Spieler zu schützen, sondern darum, Steuereinnahmen zu erzielen und den ganzen Kuchen zu haben....   Mehr anzeigen
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