Köln: Sportwetten bei Suchtproblematik auf dem Vormarsch
Ein Mitarbeiter der Kölner Fachstelle für Glücksspielsucht hatte in einem Interview erwähnt, dass die Spielsucht im Bereich Sportwetten auf dem Vormarsch ist. Vor allem die Live-Wetten würden des Öfteren unterschätzt.
Von Spielautomaten ist der Teufelskreis der Spielsucht sicherlich bekannt. Zunächst werden Centbeträge zum Spielen gesetzt. Vielleicht wird etwas gewonnen – dann geht es höher mit den Einsätzen und aus Cents werden Euros. Gewinne bleiben aus und der Drang zum „Zurückgewinnen“ der Verluste wird immer größer.
In Deutschland sind rund 180.000 Menschen glücksspielsüchtig, rund 200.000 weitere Spieler weisen ein problematisches Spielverhalten auf. Um Hilfe zu bekommen, wenden sich die Betroffenen meist an Suchtberatungsstellen (sofern sie Hilfe in Anspruch nehmen).
Dr. Wolfgang Kursawe arbeitet beispielsweise in der Kölner Fachstelle für Glücksspielsucht und hat in einem Interview zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich Glücksspiel Stellung bezogen.
Merkmale für Spielsucht sollte man kennen
Anhand von 6 Merkmalen könne man die Anzeichen für eine Spielsucht gut erkennen. Zunächst sei die Sucht meist ein großer Bestandteil des Lebens – sie werde zum Lebensmittelpunkt. Es könne zu Kontrollverlusten und Dosissteigerungen kommen, sodass mehr Geld in kürzerer Zeit und in kleineren Abständen an den Geräten eingesetzt werde. Damit gehe meist eine sogenannte Toleranzentwicklung einher. Außerdem könne es Entzugserscheinungen geben, sodass die Menschen unruhig werden, wenn sie nicht spielen können. Negative biopsychosoziale Folgen wie Depressionen, Ängste und Selbstwertverlust seien ebenfalls möglich. Sobald 3 von 6 Punkten zutreffen, spreche man von einer Suchterkrankung.
Letztlich ist die Erkennung der Anzeichen für Angehörige oder den Spieler nicht einfach. Spieler sind gute Schauspieler, sodass sie mitunter mehrere Jahre ihre Sucht verstecken können. Zwar gibt es einige Anzeichen, wie verdächtige Kontobewegungen oder das Fernbleiben vom eigenen Heim – falls jemand in Spielbanken, Spielhallen oder Wettbüros spielt – aber das Erkennen einer Sucht bereitet häufig das größte Problem.
Insgesamt treten Suchterkrankungen schleichend auf. Es handelt sich um einen längeren Prozess, bis irgendwann der Kontrollverlust eintritt und die Spieler ihr Limit in Bezug auf Zeit und Einsätze übersteigen. Teilweise kommt auch der Wille, das verlorene Geld wieder zugewinnen. Dabei handelt es sich dann um die ersten Anzeichen für pathologisches Glücksspiel oder ein problematisches Spielverhalten.
Vielleicht sind aus diesem Grund Spielsüchtige im Schnitt 35 Jahre alt und spielen bereits 8 bis 10 Jahre. Das legen die offiziellen Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nahe.
Stärkster Fall von Spielsucht in Köln
Einer der härtesten Fälle, den der Mitarbeiter der Kölner Suchtberatungsstelle erlebt hat, war ein Spieler, der über 11 Jahre hinweg zwei Millionen Euro verspielt hatte. Das Ganze ist nur durch eine Selbstanzeige aufgefallen. Aufgrund der Spielsucht ist der Mann damals mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Der Arbeitgeber und die Familie hatten davon nichts bemerkt.
Das soll wohl einer der härtesten Fälle bisher gewesen sein. Erschreckender sei jedoch, dass 15- oder 16-Jährige bereits mit dem Spielen in Spielhallen beginnen, dabei werden Ausweise gefälscht, oder man schmuggelt sich auf andere Weise herein. In vielen Studien werden Männer unter 25 Jahren auch als Risikogruppe für Spielsucht ausgemacht.
Glücksspiel verlagert sich derzeit
Der Experte der Kölner Suchtberatungsstelle sieht derzeit, dass sich das Spielverhalten und damit auch das Suchtverhalten ändert. Noch vor 10 Jahren waren circa 90 % der Deutschen mit einem Spielsuchtproblem auf Geldspielgeräte fixiert. Mittlerweile seien es nur noch 60 %. Gegenüber erklärte Dr. Wolfgang Kursawe:
In den letzten Jahren haben insbesondere die Sportwetter zugenommen, aber auch die Poker- und Onlinespieler.
Er ist der Auffassung, dass je schneller ein Glücksspiel ist, es auch umso gefährlicher wird – zumindest für die Suchtproblematik. Besonders im Bereich des Online Glücksspiels erwähnt er die Live-Wetten als gefährlich:
Durch die Digitalisierung wird heute natürlich alles noch viel schneller, gerade was die Live-Sportwetten angeht. Im Glücksspiel kann man sich als Faustregel merken: Je schneller ein Glücksspiel ist, desto attraktiver ist es, aber umso gefährlicher ist es auch.
Daher sehen die meisten Spielsüchtigen Lotto auch als unattraktiv an. Man muss relativ lange auf die Gewinne und vor allem die Gewinnentscheidung warten – es fehlt die Geschwindigkeit, der richtige Kick.
Im Bereich Lotto merkt man immer wieder, dass die Spieler einfach aus Gewohnheit weiterspielen – egal, ob sie gewonnen haben oder nicht. Es gibt dort meist kein extremes Suchtverhalten mit Kontrollverlust. Diesen Umstand hatte ich bereits beschrieben, als es um Lotto-Jackpot-Gewinner ging, die wieder alles verloren haben.
Sportwettenanbieter derzeit unbeaufsichtigt auf dem Vormarsch
Für den Experten der Suchtberatungsstelle Köln ist es ein großes Versäumnis, dass es derzeit keine Statistiken über die Anzahl von Wettbüros in Köln gibt. Man habe zwar in der Stadt insgesamt 250 Spielhallen, aber keine Kenntnis, wie viele Wettbüros existieren. Ordnungsamt und Gewerbeamt hätten auch keinen aktuellen Überblick, weil fast jede Woche neue Anbieter entstehen würden.
An dieser Stelle würde er sich mehr Transparenz wünschen. Zumal der Staat für jede abgegebene Wette 5 % Wettsteuer vom Einsatz erhält. Im Jahr 2016 sollen es immerhin 307 Millionen Euro deutschlandweit gewesen sein. Einige Kommunen erheben sogar eine Wettbürosteuer, wenn die Sportwettenanbieter auch die Gelegenheit zum Verfolgen der Spiele geben. Aber darüber hatte ich bereits im Januar 2018 berichtet.
Unterschied zwischen Glücks- und Videospielsucht
Zwischen der Glücks- und Videospielsucht sieht er einen großen Unterschied, da es beim Glücksspiel immer um Geld und das Gewinnen von Geld geht. Außerdem ist das Gewinnen übermäßig vom Glück abhängig. Bei den Videospielen geht es auch um Geschicklichkeit und nicht primär um das Gewinnen von Geld. Mittlerweile können zwar Videospiele Glücksspielelemente enthalten, aber das Ziel des Geldgewinns ist dem Glücksspiel noch als Alleinstellungsmerkmal vorbehalten.
Trotzdem plädiert der Experte nicht für ein Totalverbot
Trotz der bekannten Risiken und Probleme ist der Experte nicht der Meinung, dass das Glücksspiel generell verboten werden sollte. In einem Interview sagte er:
Man muss aber auch ganz klar sagen, die Mehrzahl der Menschen kann mit Glücksspiel angemessen umgehen. Es spielen jede Woche etliche Leute Lotto, was völlig unproblematisch ist. Ich bin kein Vertreter der sagt, Glücksspiele müssen verboten werden. Wenn man das tun würde, dann hätte man in jedem dritten Haus eine kleine Spielbank.
Die Erkenntnisse des Mitarbeiters der Kölner Suchtberatungsstelle sind letztlich nicht neu. Es gab auch in der Vergangenheit bereits Studien, die belegen, dass von Sportwetten ein erhöhtes Suchtpotenzial ausgeht. Es zeigt sich an dem Bericht aber einmal mehr, dass Spielautomaten in Spielbanken oder Spielhallen zwar immer noch ein großes Problem darstellen, aber neue Arten des Glücksspiels in Mode geraten.
Vielleicht sollten daher endlich feste Regeln für Sportwetten und Online Casinos geschaffen werden, die dann auch den Spielerschutz in geeignetem Maße abdecken. Wobei dabei der Spielerschutz im Offline-Spielbetrieb endlich ebenfalls verbessert werden sollte, mit einem einheitlichen Sperrsystem für Spielbanken und Spielhallen deutschlandweit wäre man sehr gut ausgestattet.
Bildquelle: 103173371 - Man with dollar signs in his eyes © lassedesignen
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