Neue Glücksspielstatistiken aus dem Jahrbuch Sucht 2019
Gerhard Meyer hat in dem neuen Jahrbuch Sucht 2019 aktuelle Statistiken zum Glücksspiel in Deutschland zusammengefasst. Im Folgenden sollen die wichtigsten Fakten zum Glücksspiel in Deutschland kurz erwähnt werden.
Die Pressemitteilung des Jahrbuches Sucht 2019 wurde von vielen Portalen wiedergegeben. Ich habe mir einmal die Details im neuen Report angesehen und versuche hier einmal die wichtigsten Daten aus dem Bereich Glücksspiel umfassend wiederzugeben.
Wie entwickelt sich aktuell der deutsche Glücksspielmarkt?
Man hat festgestellt, dass die Spieleinsätze auf dem deutschen regulierten Glücksspielmarkt (ohne Soziallotterien und Online Glücksspiele) im Jahr 2017 um 2,5 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Mittlerweile setzen Spieler in Deutschland insgesamt 46,3 Milliarden Euro um. Rund 12,2 Milliarden Euro betrug der Bruttospielertrag (Gewinne der Casinos abzüglich der Auszahlungen an Spieler). Von 2017 zu 2016 konnte man hier eine Steigerung um 1,5 % feststellen.
Wie hoch war der Gewinn bei den Geldspielgeräten?
Der Umsatz an den Spielautomaten in Spielotheken und gastronomischen Betrieben belief sich auf 31 Milliarden Euro im Jahr 2017. Die untere Grenze der Auszahlungsquoten liegt (laut Jahrbuch Sucht 2019) bei 77,1 % bei den Geldspielgeräten. Etwa 7,1 Milliarden Euro an Einnahmen wurden durch die 255.000 Geldspielgeräte generiert, welche sich in Spielhallen oder der Gastronomie befinden. Es sind rund 9.000 Spielautomaten weniger als im Vorjahr. 32 % der Spielautomaten sollen sich in gastronomischen Betrieben befunden haben (rund 82.000 Geräte). Mit einem Geldspielgerät wurde somit ein durchschnittlicher Gewinn von rund 27.800 Euro generiert.
2016 hatte man Einnahmen von 6,86 Milliarden Euro mit den Geldspielgeräten erwirtschaften können. 2006 war die erste große Novellierung der Spielverordnung für Geldspielgeräte, die zum Spielen um Punkte und der Umbuchung von Einsätzen geführt hatte. Seitdem hat sich der Ertrag um 202,1 % gesteigert.
Daher handelt es sich bei den Geldspielgeräten immer noch um das wichtigste Zugpferd im Bereich des deutschen Glücksspielangebotes. Rund 66,9 % machten die Einsätze vom Gesamtumsatz der Branche aus.
Was haben die Spielhallenschließungen gebracht?
Trümper und Heimann haben Anfang 2018 eine Studie zu den Spielhallenschließungen erstellt, die alle Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern, alle Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland untersucht hat. Man hat 13.666 Spielhallen an 8.836 Standorten registrieren können. Die Anzahl an Konzessionen ging gegenüber 2016 um 7,6 % zurück, bei der Anzahl der Standorte konnte man lediglich einen Rückgang von 2,2 % verzeichnen.
Man hat dabei die Härtefall- und Übergangsregelungen einzelner Kommunen kritisiert, außerdem gebe es noch viele schwebende Gerichtsverfahren, sodass die politische Zielsetzung bisher weitestgehend verhindert worden sei.
Welche Kritik besteht an der neuen TR 5.0-Richtlinie?
Die neue Technische Richtlinie 5.0, welche am 11. November 2014 in Kraft getreten ist, sollte eigentlich dazu führen, dass das Spielen um Punkte nicht mehr möglich ist. Es sollte aus politischer Sicht keinen Umbuchungsprozess mehr geben – damit wollte man den Spielerschutz stärken.
Ab dem 11. November 2018 mussten alle Geldspielgeräte dem neuen TR 5.0 Standard entsprechen. In dem Jahrbuch wird wiederum die „eklatante Umgehung der gesetzlichen Vorgaben durch die Automatenindustrie“ angeprangert. Folgende Punkte werden kritisiert:
- Das primäre Spielgeschehen nach SpielV stellt einen Umbuchungsprozess dar, der keinen eigentlichen Glücksspielcharakter aufweist.
- Der Terminus „Punktespeicher“ wurde durch „Bank“ ersetzt.
- Die Umbuchung erfolgt mit geringen Schwankungen und nicht mehr 1:1 (Manchmal gibt es Miniwalzen, bei denen man in 3 Feldversuchen mit 10 Euro 1.010, 990 oder 1.000 Points auf der Bank erhalten hat. Manche Geräte haben nicht einmal eine Miniwalze).
- Das sekundäre Spiel (das eigentliche Glücksspielspiel) läuft ohne Regularien von SpielV ab. Einsätze von bis zu 200 Punkten (umgerechnet 2 Euro) sind alle 1 bis 2 Sekunden möglich – theoretisch können 100.000 Punkte gewonnen werden (umgerechnet 1.000 Euro). Über eine Starttaste kann auch automatisch gespielt werden.
- Die Darstellung entspricht durch die kleinere Schreibweise der letzten 2 Ziffern herkömmlichen Geldwerten.
- Der maximale Stundengewinn von 400 Euro kann bei Weitem theoretisch überschritten werden. In Feldversuchen hatte man errechnet, dass man an den Geldspielgeräten bis zu 4.500 Euro gewinnen könnte. Der Zeitraum von 3 Stunden Spielzeit bis zur Löschung aller Speicher garantiert die Umbuchung der Gewinne. Die Buchung von 400 Euro dauere maximal 16 Minuten. Die anschließende Pause wird nicht als Spielzeit gewertet, daher könnte man die gewonnenen 4.500 Euro in 11 Stunden umbuchen, ohne dabei die 3-Stunden-Spielzeit-Regel zu überschreiten.
Gerhard Meyer hatte darauf hingewiesen, dass solche Wertespeicher nicht den gesetzlichen Vorgaben und dem Sinne des Spielerschutzes entsprechen. Man habe wiederum gezielt seitens der Automatenindustrie die gesetzlichen Vorgaben umgangen.
Georg Stecker ist Vorstandssprecher vom Dachverband „Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V“ und hatte zu diesen Vorwürfen Stellung bezogen:
Alle Geräte, die in legalen Spielhallen und in der ordentlichen Gastronomie aufgestellt sind, wurden von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) geprüft und zugelassen. Die PTB darf die Bauart eines Gerätes nur zulassen, wenn die Anforderungen der Spielverordnung erfüllt sind. Das belegt: Die Unternehmen der Automatenwirtschaft halten sich an die strengen gesetzlichen Vorgaben!
Welche Umsätze generierten die Spielbanken?
In Deutschland gibt es bundesweit 44 Vollspielbanken (mit Spielautomaten, Blackjack, Roulette und Poker). Außerdem gibt es 22 reine Automatencasinos. Im Jahr 2017 generierten die Spielbanken einen Bruttospielertrag von 607 Millionen Euro. Es handelt sich um einen Anstieg von 5,2 % gegenüber 2016, was etwa 30 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen bedeutet. Im Bereich des klassischen Spiels sanken die Gewinne der Betreiber um 4,6 %, während sie bei den Spielautomaten um 8,7 % gestiegen sind. Die Spielautomaten machten 76 % der gesamten Einnahmen aus.
Die Trinkgeldkasse (der Tronc) wurde von den Spielern mit 80,7 Millionen Euro gefüllt. Beim klassischen Spiel waren es 58 Millionen Euro, bei den Spielautomaten lediglich 22,7 Millionen Euro.
Die Besucherzahlen sind zum ersten Mal seit 2007 wieder leicht gestiegen. Es gab 2017 rund 5,5 Millionen Besucher in den deutschen Spielbanken, was ein Plus von 0,2 % gegenüber dem Vorjahr darstellt. 2007 war mit 8,9 Besuchen immer noch das stärkste Jahr der vergangenen 10 Jahre.
Wie hat sich der Online Glücksspielmarkt in Deutschland entwickelt?
Laut den aktuellen Statistiken gibt es 737 deutschsprachige Online Casinos, 62 Pokerangebote, 193 Wettportale für Sport- und Pferdewetten sowie 4.000 bis 5.000 private Wettbüros und einige Zweitlotterien. Man könne im Bereich der Online Angebote einen Zuwachs um 76 % erkennen, ausgenommen ist an dieser Stelle Poker.
Im Jahr 2017 konnten die privaten Anbieter aus dem EU-Ausland einen Bruttospielertrag von rund 3,18 Milliarden Euro durch deutsche Spieler erwirtschaften. Gegenüber 2016 stellt es ein Plus um 24,5 % dar.
Am gesamten Glücksspielmarkt in Deutschland wird der Anteil von Online Glücksspielanbietern auf 22 % geschätzt. Online Casinos waren mit einem geschätzten Bruttospielertrag von 1,76 Milliarden Euro am erfolgreichsten, dahinter kamen die Sportwettenanbieter mit rund 1 Milliarde Euro. Zweitlotterien und Poker waren dagegen mit einem Ertrag von 279 Millionen Euro und 118 Millionen Euro recht abgeschlagen.
Die Einnahmen durch die 5 % Sportwettensteuer lagen bei 337 Millionen Euro im Jahr 2017, gegenüber dem Vorjahr verzeichnete man hier ein Plus von 17,8 %.
Welche Glücksspiele bevorzugen die Deutschen?
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatte Anfang 2018 eine repräsentative Erhebung zum Glücksspielverhalten durchgeführt. 37,3 % der Deutschen haben regelmäßig beim Glücksspiel teilgenommen. Lotto 6aus49 beziehungsweise Sofortlotterien waren am beliebtesten. Rund 22,6 % der Befragten gaben an, Lotto 6aus49 in den letzten 12 Monaten bevorzugt gespielt zu haben. Die Beteiligung an Spielautomaten war lediglich bei 2,6 % der Bevölkerung zwischen 16 und 70 Jahren gegeben.
Wie groß ist das Spielsuchtproblem in Deutschland?
In der deutschen Suchthilfestatistik 2017 wurden 844 stationäre Beratungsstellen deutschlandweit aufgeführt, die 10.174 Patienten mit der Diagnose „Pathologisches Spielverhalten“ registriert haben. In den Beratungsstellen waren 6,4 % der Patienten mit dem Problem Spielsucht vorstellig. Bundesweit gibt es noch 1.518 ambulante Einrichtungen, bei denen man von 18.300 Fällen ausgeht.
In den Suchtberatungsstellen seien Menschen mit einer Spielautomatensucht immer noch die größte Gruppe, wobei rund 78,4 % der Spielsüchtigen mit Geldspielgeräten in Spielhallen und der Gastronomie Probleme hätten. Als Hauptspielform gaben es 4,4 % der Süchtigen an, 4,1 % hatten Probleme mit Online Sportwetten. Online Slots waren mit 2,8 % als Hauptspielform etwas abgeschlagen.
In Suchtfachkliniken und psychosomatischen Kliniken seien 2017 rund 2.322 Spielsüchtige behandelt worden. Gegenüber 2016 sei es ein Rückgang um 6,4 %.
Wie viele Spielsüchtige und Problemspieler gibt es in Deutschland?
In den Statistiken unterscheidet man immer zwischen pathologischer Spielsucht und problematischem Spielverhalten. Es gibt dabei verschiedene Tests zur Identifizierung von Spielsucht. Die DSM-IV-Kriterien sowie der South Oaks Gambling Screen sind hier die wichtigsten Multiple Choice Tests. Ab 3 oder 4 zutreffenden Kriterien bei den Tests gilt man als Problemspieler. Wenn 5 oder mehr Kriterien zutreffend sind, handelt es sich um pathologisches Glücksspiel.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatte 2018 eine repräsentative Erhebung zur Spielsucht durchgeführt. Dort kam heraus, dass 0,56 % der über 16-Jährigen als Problemspieler angesehen werden können, was hochgerechnet 326.000 Personen in Deutschland wären. Pathologische Spielsucht lässt sich bei 0,31 % erkennen, was 180.000 Personen entspricht.
Wie viele Spielsucht-Selbsthilfegruppen gibt es in Deutschland?
Anhand der Adresslisten der Selbsthilfegruppen für Anonyme Spieler aus der Fachstelle Glücksspielsucht in Neuss und Hamburg gab es im Jahr 2017 etwa 201 Gruppen für spielsüchtige Spieler in 138 Städten. 50 Gruppen werden „Gamblers Anonymous“ zugeordnet und 150 Gruppen den Suchtberatungsstellen oder anderen Einrichtungen.
Werden die deutschen Sperrdateien zur Spielsuchtprävention genutzt?
Die Sperrdatei für Spielbanken und Lotto umfasst derzeit 35.353 Sperrsätze. 94,6 % entfallen dabei auf den Bereich der Spielbanken. 5,4 % bezogen sich auf Angebote des deutschen Toto- und Lottoblocks. Die Nutzung der Sperrdatei hat 2017 gegenüber dem Vorjahr um 7 % zugenommen. Der überwiegende Teil der Spieler hatte sich dabei selbst sperren lassen (Spielbanken 86,3 % und beim Lotto 90 %).
Die OASIS-Sperrdatei ist in Hessen seit 2014 für Spielhallen in Betrieb. In den etwas weniger als 4 Jahren haben sich 14.675 Spieler in den Spielotheken des Bundeslandes sperren lassen – hochgerechnet auf die Bundesrepublik wären es 178.000 Sperren. Der Anteil von Fremdsperren lag hier unter 1 %.
Bei Überprüfungen des Spielerschutzes in Hessen wurde festgestellt, dass bei 16,1 % der Spielhallen keine Einlasskontrolle erfolgte und bei 28,1 % gesperrte Testspieler ohne Probleme spielen konnten. Bei acht Spielhallen war ein gastronomischer Betrieb mit Spielautomaten angeschlossen. Das Personal wies auf die Sperre für die Spielhalle hin, sagte aber gleichzeitig, dass man weiterhin an den Geldspielgeräten der Restaurants spielen könne.
Wie hoch ist die Verschuldung bei den Spielsüchtigen?
Patienten mit Spielsucht zeigen den höchsten Schuldenstand unter den Menschen, die an einer Sucht leiden. Nur 27,3 % der Betroffenen hätten keine Schulden. Im Vergleich sind es bei Alkoholsüchtigen 77 %. Die Verschuldung sieht dabei anteilig wie folgt aus:
- Bis 10.000 Euro: 39,1 % der Spielsüchtigen
- Bis 25.000 Euro: 15,6 % der Spielsüchtigen
- Bis 50.000 Euro: 11,1 % der Spielsüchtigen
- Über 50.000 Euro: 6,9 % der Spielsüchtigen
Wie gut ist Spielsucht behandelbar?
60,4 % der spielsüchtigen Patienten wurden von ambulanten Einrichtungen mit verbessertem Suchtverhalten entlassen. Bei 30,2 % zeigte sich keine Veränderung, bei 1,2 % konnte man trotz Therapie eine Verschlechterung verzeichnen. Rund 41,8 % der Männer und 40,8 % der Frauen haben die Therapie vorzeitig abgebrochen.
Im Bereich der stationären Suchttherapie hätten 77,4 % der Süchtigen eine Verbesserung gezeigt. Bei 11,1 % gab es keinen spürbaren Effekt. Bei 0,4 % sah man eine Verschlechterung. Die Abbruchrate ist mit 11,7 % deutlich geringer.
Das Jahrbuch Sucht 2019 gibt Einblick in viele neue Statistiken, die beim Thema Glücksspiel auch erwähnt werden sollten. Die meisten Statistiken sind jedoch von 2017, es bleibt vor allem im Bereich Spielhallen und Geldspielgeräte abzuwarten, wie sich dort die Situation ab 2018 in konkreten Zahlen entwickelt hat.
Bildquelle: Fotolia 236314195 - Glass of beer with books in the library © Václav Mach
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