Kann das staatliche Glücksspielmonopol aufrechterhalten werden?
Glücksspiel ist Hoheitsgebiet des Staates. In Deutschland gibt es ein Glücksspielmonopol. Lediglich Anbieter mit behördlicher Erlaubnis dürfen nach dem Glücksspielgesetz Spielbanken, Lotto oder Sportwetten anbieten. Doch inwiefern ist dieses Monopol rechtmäßig? GambleJoe liegt jetzt der Entwurf eines Gutachtens vor, welches das Gegenteil behauptet.
Durch die ganzen Vorkommnisse um MontanaBlack und die Frage nach der juristischen Vereinbarkeit von Casinostreams für Deutschland kam das Thema auf, ob Online Glücksspiel in Deutschland allgemein nicht illegal ist. Ich habe in der Vergangenheit relativ viel zu den ganzen Themen geschrieben und immer wieder darüber berichtet.
Daniel wurde nun ein Entwurf für ein Gutachten von dem Rechtsanwalt Dr. jur. Nik Sarafi zugespielt, der sich auf den Bereich IT-Law spezialisiert hat. Es handelt sich dabei um einen Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, der eine Abhandlung „Zur Strafwürdigkeit der § 284 ff. StGB und der Kriminalisierung von Internetglücksspielen nach § 4 Abs. 4 GlüStV“ vorbereitet.
Ist der § 284 StGB strafrechtlich legitim?
Der § 284 StGB wird immer viel zitiert, bisher wurde aber nicht über die Rechtmäßigkeit gefragt. Im Wortlaut heißt es im Gesetz:
Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Damit ein Strafgesetz legitim ist, muss das angesprochene Verhalten als strafwürdig betrachtet werden. Außerdem spielt das öffentliche Interesse an der Unterlassung des Verhaltens eine große Rolle. In der Folge muss die Verletzung fremder Rechtsgüter und das öffentliche Interesse so groß sein, dass die Freiheiten unter Androhung einer Strafe eingeschränkt werden sollten. Ob es bei § 284 StGB der Fall ist, wird mittlerweile angezweifelt.
Ferner müsse geklärt werden, warum öffentliche Glücksspiele im Internet verboten sind (§ 4 Abs. 4 GlüStV), aber für Sportwetten 2012 andere Regelungen geschaffen wurden. Die Ausstellung von behördlichen Erlaubnissen für Online Sportwetten sind teilweise möglich. Mit dem Wissen stellt sich die Frage, vor was § 284 StGB überhaupt schützen soll.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in mehreren Fällen entschieden, dass dem Menschen „ein nicht zu unterdrückender Spieltrieb“ zugesprochen werden muss. Die Beschränkungen durch § 284 StGB stellen somit einen Eingriff in die Natur des Menschen dar. Es stellt sich folglich die Frage, ob der Eingriff in die Freiheit des Menschen legitimiert werden kann.
Begründet wird der Eingriff mit der „sozialschädlichen Wirkung“ des Glücksspiels und der Gefahr durch Spielsucht. Spieler könnten ihr komplettes Vermögen verlieren oder gar die Kriminalisierung zur Begleichung von Spielschulden beziehungsweise der Aufrechterhaltung des Spieltriebs in Betracht ziehen.
Vor dem Hintergrund ist es grundsätzlich nicht verwunderlich, dass der Staat schützend eingreift. Dennoch zeigt sich bei einer genaueren Überprüfung, dass mit dem Gesetz andere Ziele als der Schutz der Spieler verfolgt werden.
Schutz vor der Suchtgefahr
Es wird immer angeführt, dass der Staat vor der kommerziellen Ausbeutung den Spieler schützen solle. Da dieser Schutz zum Gemeinwohl beitrage und für das öffentliche Interesse unerlässlich sei, legitimiert sich der § 284 StGB. Das Bundesverfassungsgericht führte sogar in einem Urteil vom 28. März 2006 aus:
… die Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren jedenfalls [ist] ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann.
Wenn wirklich ein Zusammenhang zwischen Glücksspielangebot und Sucht bestünde und der Staat dem Schutzgedanken vollends nachkommen wollte, müsste Glücksspiel komplett verboten werden.
Es ist nicht verständlich, warum es ein Staatsmonopol gibt und mit dem Strafrecht gegen andere Glücksspielarten gearbeitet wird. Warum darf sich der Staat an den Folgen einer Sucht bereichern, wenn das Verbot für andere Anbieter mit der Fürsorgepflicht begründet wird?
Normalerweise würde es ausreichen, wenn ein gesetzlich regulierter Markt entstünde, bei dem private Anbieter den Spielbetrieb nach strengen Regeln und Auflagen aufnehmen können. Ähnlich ist es bei der Alkohol- oder Medikamentenindustrie der Fall, wo ebenfalls Suchtgefahren bestehen. Bei den Finanzmärkten gibt es so etwas durch das Kreditwesengesetz bei Börsen- und Aktienspekulationen.
Ferner bleibt unverständlich, warum staatliche Lotteriegesellschaften aggressiv werben dürfen, wenn es nur um die Erfüllung eines Grundbedürfnisses geht. Teilweise redet man in der Werbung von einem besseren Leben durch den Lottogewinn. Diese Aussage würde dem Zweck des Monopols entgegenstehen.
Der Europäische Gerichtshof hatte in einem Urteil vom 8. September 2010 diesen Umstand bereits kritisiert:
… den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.
An solchen Verhaltensweisen wird einmal mehr offensichtlich, dass es nicht das Ziel des Staates ist, die „Ausbeutung“ oder „Spielsucht“ zu verringern oder zu kontrollieren. Der Verdacht manifestiert sich eher, dass das Glücksspielmonopol genutzt wird, um hohe Einnahmen zu erwirtschaften.
Schutz des Vermögens der Spieler
Mit dem Verbot von Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis soll zumeist auch das Vermögen der Spieler geschützt werden. Es wird angeführt, dass durch manipulationsfreie Software Spieler geschützt werden und nicht so hohe Verluste erleiden sollen.
Letztlich gibt es Gesetze gegen Computerbetrug (§ 263 StGB, § 263a StGB). Eine staatliche Lizenz schützt auch nicht komplett vor Manipulationen.
Dem Schutz der wirtschaftlichen Verluste mit dem Strafrecht zu begegnen, entspräche ferner nicht den Grundsätzen des Strafrechts oder Strafverfassungsrechts. In dem Gutachten heißt es deshalb unter anderem:
Wie oben dargestellt, sieht sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch die strafrechtswissenschaftliche Literatur die Selbstgefährdung als Ausdruck der Menschenwürde und der freien Willensbetätigung an.
Der Vermögensschutz der Spieler kann nicht durch die behördliche Erlaubnis gewährleistet werden. Lotteriegesellschaften werben um neue Spieler mit Millionen-Jackpots, doch Spieler können auch alles verlieren. Schlussendlich kann der Staat nicht einem Bürger vorschreiben, wofür er sein Vermögen ausgeben sollte. Das wäre ein großer Eingriff in seine Freiheiten.
Schutz vor Folgekriminalität
Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof waren sich in der Vergangenheit einig, dass eines der Ziele des staatlichen Wettmonopols die Abwehr von den Gefahren der Folge- und Begleitkriminalität ist. Sicherlich kann Beschaffungskriminalität in Zusammenhang mit der Spielsucht stehen, im Gutachten ist der Rechtsanwalt jedoch der Auffassung:
Beschaffungs-, Begleit- und Folgekriminalität sind in nahezu jeder legalen Wirtschaftsbranche existent und zu beobachten. Doch diese Taten sind alle durch das Kern- und Nebenstrafrecht abgedeckt.
Letztlich bräuchte es den Paragraphen im Strafgesetzbuch nicht, damit solche Delikte umfassend abgedeckt werden. Dieser Umstand erklärt also ebenfalls nicht, warum Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis als illegales Verhalten im Strafgesetzbuch erwähnt wird.
Wirtschaftliche Interessen des deutschen Staates
Am Ende des Gutachtens werden alle juristischen Begründungen für § 284 StGB widerlegt und der Bundesrepublik unterstellt:
… der Staat verfolgt unter dem Deckmantel der o.g. Scheinschutzgüter bzw. Scheinrechtsgüter lediglich eigene fiskalische Interessen.
Letztlich darf aber das wirtschaftliche Interesse des Staates keine Monopole legitimieren. Es ist nicht ersichtlich, warum die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit, die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit eingeschränkt werden. Selbst wenn durch die Einnahmen staatliche Aufgaben finanziert werden, reicht es als Begründung nicht aus, um so viele andere Freiheiten zu beschneiden.
Rechtmäßigkeit von § 285 StGB
§ 285 StGB stellt die Teilnahme am illegalen Glücksspiel unter Strafe. Mit dem Verweis auf den Schutz des Vermögens lässt sich das Gesetz nicht erklären. Die Teilnahme am illegalen Glücksspiel ist an eine eigenverantwortliche Entscheidung des Spielers gebunden. Ein Mensch hat eigentlich die Freiheit, sein Geld so auszugeben, wie er es für richtig hält.
Ferner ist nicht klar, inwiefern die Nachteile einer Kriminalstrafe für einen Spieler besser sein sollen, als die möglichen Schäden durch seine eigene Entscheidung. Das Gutachten kommt daher zu dem Schluss:
§ 285 StGB ist ein illegitimer Straftatbestand und ist deshalb ersatzlos zu streichen.
Vereinbarkeit des Online Casino Verbots mit dem Strafrecht
Online Glücksspiel war in der Vergangenheit vor allem wegen der Anonymität im Internet verboten. Es würde an sozialer Kontrolle beim Glücksspiel fehlen. Unverständlich ist jedoch, warum Sportwetten und Lotto im Internet erlaubt sind oder eine behördliche Erlaubnis erhalten können, dies aber für Online Casinos nicht gilt.
Ein Verbot wäre mit dem Unionsrecht lediglich vereinbar, wenn die Existenz der besonderen Gefahren durch das Internetglücksspiel in wissenschaftlich nachvollziehbarer Weise dargeboten werden. Außerdem müsste man nachweisen, dass Strafgesetze die beste Art und Weise sind, die Ziele zu erreichen. Weiterhin muss die Verhältnismäßigkeit genau geprüft werden. Man müsste also begründen, warum Strafgesetze verwendet werden und nicht das Zivil- oder Verwaltungsrecht zum Tragen kommen soll.
Bisher gibt es keine konkreten Nachweise über die Gefahren durch das Glücksspiel im Internet. Ebenfalls hat man in der Vergangenheit nicht konkret dargelegt, wie es beim Problem Geldwäsche aussieht. Bisher gibt es lediglich Behauptungen, aber keine konkreten Untersuchungen. Abschließend müsste man daher nachweisen, inwiefern die Probleme im Online Bereich schlimmer sind als beim Offline Glücksspiel. Fraglich bleibt auch die Rolle der Sportwetten und warum sie eine Sonderstellung einnehmen.
Fazit des neuen Rechtsgutachtens
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass § 284 ff. StGB und § 4 Abs. 4 GlüStV liberalisiert werden müssen. Online Casinos sollten glücksspielrechtlich legalisiert werden. Ferner verstoßen die Gesetze derzeit gegen das Unionsrecht, daher wird die Forderung zusammengefasst:
Allein aus nationaler strafverfassungsrechtlicher Sicht ist die Liberalisierung des Glücksspielrechts besser geeignet, um die dem Glücksspiel nachgesagten Nachteile besser zu kontrollieren, als eine strenge gesetzliche Einschränkung bis hin zum Totalverbot.
Ich gehe davon aus, dass dieses Gutachten den derzeitigen Entscheidungsträgern in der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Dezember 2018 vorliegen wird. Es bleibt abzuwarten, wie man diese Erkenntnisse aufnimmt. Vielleicht kann man sich endlich für eine vernünftige Regulierung nach britischem Vorbild mit festen Regeln und entsprechenden Überprüfungen der Software durch Drittanbieter begeistern. Sie wurde auf GambleJoe schon oft genug gefordert.
Nach unseren Informationen sieht es so aus, als würden einige Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen eine Liberalisierung im Bereich Online Glücksspiel vorziehen. Es bleibt abzuwarten, wie und ob diese wirklich umgesetzt wird. In Schleswig-Holstein hatte man bereits angekündigt, auch 2019 eigene Wege gehen zu wollen, wenn das Online Glücksspiel nicht reguliert werden sollte.
Bildquelle: 132969422 - Memo note on notebook, gambling monopol © visualpower
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3 Kommentare zu: Kann das staatliche Glücksspielmonopol aufrechterhalten werden?
Kommentar verfassenAnonym
05.12.2018 um 18:25 UhrD****9
05.12.2018 um 17:22 UhrRasmik12
05.12.2018 um 09:33 UhrUnsere Community lebt von deinem Feedback – also, mach mit!
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