In ganz Europa gelten Sportwetten als Glücksspiele. Wirklich in ganz Europa? Nein, tatsächlich geht Österreich einen Sonderweg: Ähnlich wie das gallische Dorf rund um Asterix, das sich nicht von den Römern erobern lassen wollte, beharrt man in der Alpenrepublik trotz vieler Kritik auf der Einstufung von Sportwetten als „Geschicklichkeitsspiel“. Damit gehen einige Besonderheiten einher.

Die Definition von Sportwetten variiert innerhalb der Europäischen Union, da die Regulierung in erster Linie den Mitgliedstaaten obliegt. Alles in allem sind sich die meisten Angehörigen jedoch einig, dass derartige Angebote eine Form des Glücksspiels sind. Das gilt natürlich auch für den deutschen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) von 2021. Laut §3 Abs. 1 GlüStV handelt es sich um ein Glücksspiel, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“. Diese Definition unterstellt, dass der Ausgang der Wetten „überwiegend vom Zufall“ bestimmt wird, was eine umfassende Regulierung nach dem Glücksspielgesetz rechtfertigt.

Auch die Schweiz geht einen restriktiven Weg und definiert Sportwetten im Geldspielgesetz (BGS) von 2019 als eine Form des Glücksspiels. Gemäß Artikel 3 des BGS liegt ein Glücksspiel vor, „wenn gegen Leistung eines geldwerten Einsatzes ein Gewinn oder Verlust vorwiegend durch Zufall bestimmt wird.“ Damit unterliegen Sportwetten in der Schweiz ebenso wie in Deutschland einer strengen staatlichen Kontrolle. In der Tat wird in der Schweiz noch sehr viel genauer darauf geachtet bzw. vor allem durch Netzsperren dafür gesorgt, dass im Land nicht regulierte, also illegale, Sportwettenportale im Internet nicht genutzt werden.

Österreich nimmt in der Vielzahl unterschiedlicher Klassifikationen innerhalb Europas eine vergleichsweise liberale Haltung ein. In der Alpenrepublik werden Sportwetten nämlich als Geschicklichkeitsspiele betrachtet und fallen daher unter eine weniger strenge Regulierung. Diese Einstufung basiert auf der Annahme, dass beim Tippen auf Sportereignisse das Wissen und die Erfahrung des Spielers eine entscheidende Rolle einnehmen. Somit ist der dortige Markt weitgehend unreguliert. So werden beispielsweise Steuern von entsprechenden Anbietern erhoben, es bedarf aber keiner expliziten Glücksspiellizenz, um Sportwettenservices bereitzustellen.

Die Sportwettengesetzeslage in Österreich resultiert aus historischen Beschlüssen

  • Wetten werden in Österreich sozusagen schon immer als Geschicklichkeitsspiele betrachtet. Nachdem die Monarchie im Land zerfallen war, mussten die Zuständigkeiten in der frisch gegründeten Republik neu geregelt werden. Das Wettgeschäft präsentierte sich damals vergleichsweise übersichtlich. Viel mehr als Pferderennen gab es nicht zu tippen. Somit sollte es genügen, entsprechende Regulierungen den Ländern zu überlassen. Die ersten Bestimmungen finden sich im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) von 1811.
  • Die Regelung des Glücksspiels, zu dem klassischerweise Optionen wie Roulette oder Baccara zählen, obliegt seit jeher dem Bund. Dieser gibt für Casinos und ähnliche Angebote eine Lizenz aus. In Österreich besteht ein Monopol, bei dem derzeit lediglich die Österreichischen Lotterien und die Casinos Austria das Recht haben, betreffende Spiele zu veröffentlichen. Das geschieht in Form von Lotto, stationären Spielbanken im gesamten Bundesgebiet und der Online-Plattform Win2Day.

Laut Rechtsexperten war es insbesondere ein Präzedenzfall aus dem Jahr 1932, der die Richtung für die Definition von Sportwetten als Geschicklichkeitsspiele vorgab. Damit wurde dafür gesorgt, dass Tipps auf Sport-Events bis heute nicht unter das Glücksspielmonopol fallen. In derselben Kategorie sind auch Schach, Billard oder Bridge eingeordnet. Bei diesen Spielen kann man das eigene Geschick eindeutig durch Training verbessern und deren Ausgang mit einem hinreichenden Können unmittelbar beeinflussen. In der Diskussion um die Richtigkeit dieser Ansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof seither mehrfach auf diese historische Rechtsprechung bezogen, womit die Wetten Ländersache geblieben sind – und wohl auch bleiben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte beispielsweise im Jahr 2018 (auch abseits des alten Präzedenzfalls) argumentiert, dass die Entscheidung über das Spielergebnis bei Sportwetten nicht vorwiegend vom Zufall abhängig sei, „weil der Wettende seine Kenntnisse betreffend den Umständen bei der sportlichen Veranstaltung einbringt“. Dieses Wissen würde im Hinblick auf den Ausgang der jeweiligen sportlichen Ereignisse das Zufallselement überwiegen. Es wurde konkret dargelegt, dass man sich zum Beispiel im Kontext von Hundewetten über die Trainingsverfassung, den gesundheitlichen Zustand oder auch über Wetterpräferenzen der einzelnen Tiere informieren (und damit den Erfolg beeinflussen) könne.

Als Resultat gibt es in Österreich neun unterschiedliche Gesetze für Sportwetten – eines je Bundesland. Wie viele Bookies genau genehmigt sind, ist kaum zu ermitteln.

Die Einstufung als Geschicklichkeitsspiel unterstützt den florierenden Markt signifikant

Es gibt unheimlich viele legale, halblegale und illegale Anbieter, die den österreichischen Wettmarkt prägen. Genauso unübersichtlich wie die tatsächliche Zahl der Buchmacher ist der Umsatz, den diese erzielen. Einen Anhaltspunkt bilden jedoch die Steuerstatistiken: So müssen Wettanbieter, die in Österreich aktiv sind, wie auch in Deutschland je Einsatz eine Gebühr an den Staat entrichten. Die Steuer beträgt hier 2 Prozent.

Anhand offizieller Daten lässt sich also ableiten, dass 2023 satte 3,8 Milliarden Euro von den Sportwettenunternehmen umgesetzt wurden – zumindest von den legalen. Das Wachstum der Branche ist beeindruckend: Im Jahr 2013 wurden noch Wettumsätze von 800 Millionen Euro verzeichnet. In der folgenden Dekade stiegen die Werte ohne Unterlass.

Die Gegebenheit, dass Wettanbieter in Österreich kaum rechtliche Schranken haben, ist laut Fachleuten besonders für das starke Marktwachstum verantwortlich. Die Gesetze der Länder sehen etwa unterschiedliche Standards beim Spielerschutz vor und stellen keinerlei Werbebeschränkungen auf. Es gibt eine regelrechte Zersplitterung, die nicht zuletzt dazu führt, dass Spieler, die in einem der Bundesländer eine Sperrung erhalten, einfach in einem anderen Land weiter tippen können. Ein weiteres Problem liegt in der Tatsache, dass viele Anbieter keinen Sitz in Österreich haben, womit entsprechende Vorschriften bei diesen oftmals nicht voll zum Tragen kommen.

Kritik bleibt dabei natürlich nicht aus, es dürfte sich aber in absehbarer Zeit nicht viel ändern

Seit Jahren fordern Spielerschützer Verschärfungen bei der Einstufung von bzw. beim generellen Umgang mit Sportwetten in Österreich. Erst vor kurzem wurde ein offener Brief, den ca. 200 Medizin-, Psychologie- und Rechtsfachleute unterzeichneten, herausgegeben. Demnach hätten Wetten in einer Welt, in der Computer Quoten berechnen oder sekündlich ändern können, nichts mit Geschick zu tun und seien reine Glückssache. Die Unterzeichner fordern eine Einstufung als Glücksspiel sowie fixe Verlust- und Zeitlimits, Werbebeschränkungen und mehr Budget für die Suchtprävention. Laut der hiesigen Presse seien alle Parlamentsparteien offen für Änderungen. Nur von der ÖVP gab es offenbar keine Rückmeldung.

Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass sich bald etwas ändert, da die Branche zum einen absolut etabliert ist und zum anderen eine starke Lobby hat, was sie zu einem signifikanten Wirtschaftsfaktor macht. Sponsorengelder werden an Sportverbände oder -vereine bis in die unteren Ebenen vergeben und die Berührungsängste sind entsprechend gering. Der Trainer der österreichischen Fußballnationalmannschaft Ralf Rangnick ist Markenbotschafter für den Anbieter Tipp3 und die Fußballspielerin Carina Wenninger macht gemeinsame Sache mit Admiral für eine Gleichstellungskampagne. Es gibt enorm viele weitere Beispiele für solche Kooperationen.

Fazit

Basiert der Erfolg bei Sportwetten nun auf Glück oder Geschicklichkeit? Über diese Frage bzw. deren Antwort lässt sich nicht nur in Österreich trefflich streiten. Eine mögliche Reform des österreichischen Glücksspielgesetzes steht seit einiger Zeit zur Debatte. Bereits 2019 wurde eine Studie von der Stabsstelle für Spielerschutz des österreichischen Finanzministeriums in Auftrag gegeben, die den Zufallscharakter und die Risikopotenziale von Sportwetten untersuchen sollte. Federführend waren Jens ­Kalke von der Universität Hamburg und ­Tobias ­Hayer von der Universität Bremen. Nach einem Jahr empfahlen Hayer und Kalke „unter evidenzbasierten Gesichtspunkten öffentliche Sportwettangebote mit geldwertem Einsatz und Geldgewinnmöglichkeiten als Glücksspiele zu klassifizieren“. Die Ergebnisse der Studie sind aufgrund politischer Umbrüche aus 2019 – also dem Jahr, in dem sie beauftragt wurde – aber bislang nicht veröffentlicht oder in irgendeiner Weise gesetzlich berücksichtigt worden. Die Studienautoren verweisen bei Anfragen von Medien zu Gründen der Nichtveröffentlichung auf die Politik.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/photos/strategy-chess-board-game-1080527/

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3 Kommentare zu: Österreich: Sportwetten sind Geschicklichkeitsspiele und daher weitgehend unreguliert

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Super Artikel. Konnte da noch ein paar neue Infos mitnehmen.

Besonders skurril ist, dass in Österreich Poker wiederum als Glücksspiel eingestuft wird. Und bei Poker kann man mit Sicherheit mehr Einfluss auf den Spielverlauf nehmen...   Mehr anzeigen
Sind denn in Österreich Glücksspielgewinne auch (wie in Deutschland) steuerfrei? Und wie ist das dann dort (oder auch in Deutschland) mit Gewinnen aus Geschicklichkeitsspielen geregelt, wird dann darauf eine Einkommenssteuer...   Mehr anzeigen
Danke für deinen Beitrag! Bei der österreichischen Online-Glücksspielplattform Win2Day heißt es dazu:

"Als Gelegenheitswetter:in bzw. als Hobbywetter:in musst du deine Sportwetten-Gewinne in Österreich nicht versteuern. Gleiches...   Mehr anzeigen
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