Fundamentale Kritik an großer Studie zum Spielverhalten in Deutschland
Das Glücksspiel in Deutschland und seine Bestimmungen regen immer wieder zu Diskussionen an. Regelmäßig kommt es in diesem Zusammenhang zu Untersuchungen, die spezielle Aspekte unter die Lupe nehmen. Der Glücksspiel-Survey 2021 ist eine davon. Man fokussiert hier insbesondere das Glücksspielverhalten der Bevölkerung und mögliche damit einhergehende Probleme. Nun wurde diese Studie von der renommierten Statistikerin Katharina Schüller fundamental kritisiert.
In den vergangenen Wochen und Monaten berichteten wir viele Male über glücksspielspezifische Erhebungen in Deutschland: Beispielsweise stieß die GGL jüngst eine Studie zum Spielerschutz an, der Glücksspiel Atlas gab interessante Hinweise auf mögliche Änderungen am GlüStV 2021 und auch GambleJoe selbst hat eine Wirkungsanalyse zur Neuregelung nach GlüStV 2021 vorgenommen.
Das Glücksspiel in Deutschland ist ganz offensichtlich ein sehr untersuchungswürdiges Thema. Wieder und wieder mussten wir, unsere Leser und/oder andere Stellen in diesem Kontext gewisse Unstimmigkeiten feststellen, die längst nicht nur die untersuchten Sachverhalte, sondern auch die Analysen an sich betrafen. Vage Beschreibungen von Studienverläufen (GGL-Spielerschutz-Studie) oder ein zu geringer Bezug auf die Voraussetzungen typischer Spieler (Glücksspiel Atlas) sind nur zwei markante Beispiele dafür.
Das waren jedoch Peanuts im Vergleich zu dem, was aktuell dem Glücksspiel-Survey 2021 an Gegenwind bereitet wird! Mit der Studie soll laut ihren Initiatoren „ein Beitrag geleistet werden, die epidemiologischen Erkenntnisse über die Glücksspielteilnahme und -probleme der bundesdeutschen Bevölkerung weiter zu verbessern.“ Die renommierte Statistikerin Katharina Schüller kritisierte die Untersuchung vor Kurzem in einem Gutachten aufs Schärfste: „Keine wissenschaftliche Grundlage“, „schwere methodische Fehler“, „mangelnde wissenschaftliche Transparenz“ und ähnliche Worte sind (unter anderem auch in der Presse) in diesem Zusammenhang gefallen.
Wie kam es zu der heftigen Kritik?
Die Statistikerin Katharina Schüller fertigte gemeinsam mit Prof. Dr. Ralf Münnich von der Universität Trier, dem Vorsitzenden der Deutschen Statistischen Gesellschaft, ein Gutachten an. Die Experten wurden von mehreren deutschen Verbänden mit Glücksspielhintergrund beauftragt, nachdem diesen erhebliche Mängel am Glücksspiel-Survey aufgefallen waren. Schüller bestätigte Defizite in Kontrolle, Methodik und Ergebnissen.
Als Quintessenz kam folgendes dabei heraus: Schüller spricht dem Survey die Tauglichkeit als wissenschaftliche Basis für eine politische Diskussion zum problematischen Glücksspiel ab. Grund dafür seien im Wesentlichen schwere methodische Fehler bei der Datenerhebung und –auswertung. Die Verantwortlichen der Studie würden die Zahl problematischer Glücksspieler in Deutschland höchstwahrscheinlich massiv überschätzen.
Was ist der Glücksspiel-Survey 2021?
Beim Glücksspiel-Survey 2021 handelt es sich um eine Bevölkerungsstudie zum Glücksspielverhalten in Deutschland. Im Zentrum steht die Beantwortung der Fragen „Wie viele Menschen nehmen an Glücksspielen teil?“, „Wer spielt Glücksspiele?“, „Wie häufig werden Glücksspiele gespielt?“, „Wo wird an Glücksspielen teilgenommen?“, „Welche Glücksspiele werden gespielt?“ und „Wie häufig ist eine Glücksspielstörung?“. Die Erhebung der Daten erfolgte mittels telefonischer und online durchgeführter Befragungen. Federführend waren das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und die Universität Bremen.
Der Glücksspiel-Survey 2021 weist Defizite in Kontrolle, Methodik und Ergebnissen auf
Kontrolle
Die Autoren des Glücksspiel-Surveys 2021 kamen zu dem Schluss, dass unter allen 18- bis 70-Jährigen in Deutschland 2,3 Prozent eine Glücksspielstörung aufweisen würden. 5,7 Prozent hätten ein „riskantes Spielverhalten“.
Die Schwierigkeit liegt hier vor allem darin, dass der zuvor 2019 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ermittelte Wert von 0,73 Prozent an Problemspielern um ein Vielfaches übertroffen wurde. Diese große Differenz hätte eine unabhängige Qualitätskontrolle der Survey-Ergebnisse nach sich ziehen müssen. Bislang blieb eine solche Prüfung jedoch aus.
Methodik
In puncto Methodik wurde der größte Teil an Mängeln im Zusammenhang mit dem Glücksspiel-Survey 2021 festgestellt. Die Defizite zeigen sich speziell in den nachfolgenden vier Punkten.
- Daten nicht repräsentativ: Schüller bemängelt, dass bei den Befragungen per Telefon und im Online-Bereich tendenziell sehr viele Probanden Antworten verweigern. Die Datenqualität sei damit gering, wodurch der Survey für die Gesamtbevölkerung nicht wirklich repräsentativ sei. Es werde mit großer Wahrscheinlichkeit weniger Problemspieler geben, als angenommen.
- Ungeeignete Verfahren bei der Datenerhebung und –auswertung: Die Statistikexpertin kritisierte weiterhin, dass den Verantwortlichen der Studie gewichtige handwerkliche Fehler unterlaufen seien. Vor allem seien die verwendeten Gewichtungsverfahren ungeeignet. Außerdem hätte zufallsbedingten Schwankungen mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden müssen.
- Zukünftige Entwicklungen ausgeblendet: Bemängelt wird auch, dass der Glücksspiel-Survey nur eine Momentaufnahme bilden würde. Ein Ausblick auf die mögliche Entwicklung von Spielproblemen sei nicht gegeben oder möglich.
- Keine wissenschaftliche Transparenz: Welche Daten im Detail erhoben wurden, wie man bei der Abfrage vorging und welche Auswertungsmethoden zu den Ergebnissen führten, teilen die Verantwortlichen des Surveys nicht mit. Selbst auf Anfrage habe Schüller keine näheren Informationen erhalten. Das ist laut ihrer Meinung nicht nur intransparent, sondern gehe zudem klar gegen die Grundsätze guter Wissenschaft.
Ergebnisse
Für Katharina Schüller ergibt sich aus all den genannten Schwierigkeiten ein irreführendes Gesamtbild. Die meisten Leser dürften hier leicht in eine Richtung überzeugt werden, die das Glücksspiel in Deutschland so gar nicht einschlägt. Sie würden somit zu „Opfern fehlerhafter wissenschaftlicher Arbeit“.
Fazit
Quelle des Bildes: Screenshot von https://www.automatenwirtschaft.de/wp-content/uploads/2023/09/Wissenschaftliches-Gutachten-Kritische-Evaluation-des-Gluecksspiel-Surveys-2021.pdf
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10 Kommentare zu: Fundamentale Kritik an großer Studie zum Spielverhalten in Deutschland
Kommentar verfassenNaderdenny39
29.11.2023 um 23:07 UhrJustin
07.11.2023 um 00:14 UhrIch habe lange in der Tourismusindustrie für einen großen Anbieter gearbeitet. Ab 10.000 € gibt es neue "Geheimtipps" in... nah und fern, spezielle Unterkünfte, welche die Mehrheit bevorzugt, neue Busrundreisen die man unbedingt machen muss, etc.
Die gute Frau Schüller kann warscheinlich 90% aller "repräsentativen Umfragen/Surveys" komplett aueinandernehmen und in der Lust zerfetzen.
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btssultan
Falko
02.11.2023 um 15:44 Uhrrcore
02.11.2023 um 15:46 UhrFrankey
Genau wie beim Sucht Thema Canabis Legalisierung, untersucht, beobachtet man auch... das Glücksspiel . Sind es jetzt 0.73 % oder 5% die gefährdet sind? Diese heimtückische Sucht wird unsere Gesellschaft nicht zerstören. Es gibt Maßnahmen wie Einzahlung Grenzen oder Werbe vebote. Da wird ganz genau hingeschaut .
Dabei ist es nicht die Glückspielsucht oder das böse Canabis das die größten Schäden in so ziemlich jeden Teil der Gesellschaft anrichtet. Mit einer Rückfallrate von 60% , Kosten in Milliardenhöhe jährlich für die Sektoren Gesundheit, Verkehr, ermittelnde Behörden,. Ob Auslöser häuslicher Gewalt, Mord, Verkehrs Unfälle usw auf Platz 1 ist immer unsere gefährlichste Sucht für die sich aber keiner interessiert. Alkohol. Kein Werbeverbot, Es is überall zu kaufen, schön als Display für alle zu sehen. Und spottbillig. . Aber irgendwie nicht wichtig. 🤦🏼 Mehr anzeigen
bigbig
rcore
02.11.2023 um 09:40 UhrMisterL
02.11.2023 um 08:30 Uhrder Dealer oder der Junkie oder der unbekannte dritte im hintergrund
Frankey
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