Der Glücksspiel-Survey gilt als wichtigste Datensammlung zur Glücksspielteilnahme in Deutschland. Federführend sind seit 2021 das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und die Arbeitseinheit Glücksspielforschung der Universität Bremen. Im Vergleich zur letzten Erhebung der zuvor verantwortlichen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) schossen die Zahlen praktisch über Nacht um erstaunliche 550 Prozent in die Höhe! Viele fragten sich daraufhin: Kann das richtig sein? Kann es offenbar nicht, wie jetzt eine neue Forsa-Studie nahelegt. Das Ergebnis dürfte den Verantwortlichen des Glücksspiel-Survey gehörig Bauchschmerzen bereiten.

Seit Jahren liefert der Glücksspiel-Survey Einblicke in das Spielverhalten der Deutschen – doch seit 2021 gibt es Zoff um die Zahlen. Bis 2019 hatte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Studie durchgeführt, dann übernahmen das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung und die Universität Bremen.

Mit dem Wechsel kam auch eine neue Methodik – und die ließ die Zahl der problematischen Spieler von etwa 200.000 auf 1,3 Millionen explodieren. Die Branche war skeptisch, externe Experten ebenso: Konnte dieser dramatische Anstieg wirklich real sein oder hatte womöglich der neue Erhebungsansatz Schuld an den immensen Auswüchsen?

Jetzt bringt eine Forsa-Studie frischen Wind in die Debatte. Sie nutzte die frühere Methodik – und siehe da: Die angebliche Spielsucht-Welle schrumpft gewaltig. Tatsächlich zeigt sich sogar ein rückläufiger Trend seit 2019. Für die Verfechter des ursprünglichen Surveys dürfte das ein ziemlicher Katermoment sein.

Was ist Forsa?

Forsa ist eines der bekanntesten Meinungs- und Sozialforschungsinstitute Deutschlands. Seit 1984 liefert es fundierte Daten zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. Besonders bekannt ist Forsa für seine Wahlumfragen, doch das Institut führt auch Studien zu Verbraucherverhalten, sozialen Trends und wissenschaftlichen Fragestellungen durch. Der Name taucht regelmäßig in Nachrichten und anderen Berichten auf – denn wenn es um belastbare Zahlen und Stimmungen in der Bevölkerung geht, ist Forsa oft die erste Adresse.

Viel Kritik in den letzten Jahren – und jetzt?

Kritik hagelte es von Anfang an, doch geändert hat sich wenig. Eine der schärfsten Stimmen in der Debatte war die Statistikerin Katherina Schüller. Sie ließ in der Fachpresse kein gutes Haar am Glücksspiel-Survey 2021:

„Er vermittelt seinen Lesern eine Daten- und Erkenntnissicherheit, die schlicht nicht gegeben und wissenschaftlich fragwürdig ist.“

Das war nicht einfach nur ein harsches Urteil – es war eine regelrechte Demontage. Schüllers Gutachten, in dem sie diverse fundamentale Schwächen des Glücksspiel-Survey 2021 anmahnte schlug einige Wellen: „Keine wissenschaftliche Grundlage“, „schwere methodische Fehler“, „mangelnde wissenschaftliche Transparenz“ und ähnliche Worte kamen (unter anderem auch in der Presse) in diesem Zusammenhang auf. Aber trotz der vernichtenden Einschätzung: keine Anpassung der Methodik.

Als der Survey 2023 erschien, folgte der erwartbare Aufschrei – diesmal besonders laut aus der Branche. Die Deutsche Automatenwirtschaft (DAW) und der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) meldeten sich zu Wort. DAW-Sprecher Georg Stecker brachte es auf den Punkt:

„Leider wurde auch trotz massiver wissenschaftlicher Kritik das Befragungs-Design beibehalten und die begrenzte Aussagekraft der Befragung in der heutigen Ergebnis-Präsentation des aktuellen Surveys nicht kenntlich gemacht.“ Und weiter: „Damit verfehlt leider auch der Survey 2023 sein Ziel, belastbare Rückschlüsse auf Aspekte von Glücksspielstörungen zu ziehen.“

Kurz gesagt: Die Fehler blieben, die Methodik stand weiterhin auf wackligen Beinen. Der DSWV forderte eine gründliche Überprüfung, doch es passierte – nichts. Bis jetzt. Denn mit der neuen Forsa-Studie könnte sich das Blatt doch noch wenden.

Forsa deckt auf: Glücksspielkrise oder Zahlenzauberei?

Jetzt wird’s spannend: Im Auftrag des Verbands der Automatenindustrie (VDAI) hat das renommierte Meinungsforschungsinstitut Forsa eine neue Studie durchgeführt – und zwar nach exakt den gleichen Kriterien, die bis 2019 unter der BZgA Standard waren. Das Ergebnis: Ein regelrechter Realitätsschock für alle, die sich auf die bisherigen Zahlen verlassen haben.

Zur Erinnerung: Vor der Methodik-Änderung lag die Zahl pathologischer Spieler in Deutschland bei rund 200.000. Nach der Übergabe der Studie an das ISD und die Universität Bremen explodierte sie auf über 1,3 Millionen – eine Zahl, die auch im Zusammenhang mit dem Glücksspielatlas 2023 für Schlagzeilen sorgte.

Laut der neuen Erhebung von Forsa gehören 95,53 Prozent der Befragten zur unproblematischen Gruppe – also entweder zu Menschen, die gar nicht spielen oder zu denen, die keinerlei Auffälligkeiten nach der South Oaks Gambling Screen (SOGS)-Klassifikation zeigen. 0,37 Prozent gelten als problematische Spieler, während nur 0,28 Prozent als wahrscheinlich pathologisch eingestuft werden.

Damit liegen die Werte sogar leicht unter denen der letzten BZgA-Studie von 2019 (damals 0,39 und 0,34 Prozent). Zum Vergleich: Der Glücksspiel-Survey 2023 ging von satten 2,4 Prozent Problemspielern aus – ein Unterschied von unglaublichen 550 Prozent!

Neue Methodik? Gerne – aber dann doch bitte auch mit belastbaren Ergebnissen!

Es ist ja nicht grundsätzlich verkehrt, Methoden zu überarbeiten. Wissenschaft lebt schließlich von Fortschritt. Doch spätestens dann, wenn ein neuer Erhebungsansatz plötzlich die Zahl der problematischen Spieler vervielfacht, sollten alle Alarmglocken schrillen – nicht wegen der angeblichen Spielsucht-Welle, sondern wegen der Datengrundlage.

Der Glücksspiel-Survey 2021 kam zu dem Schluss, dass 2,3 Prozent der 18- bis 70-Jährigen eine Glücksspielstörung haben und 5,7 Prozent ein riskantes Spielverhalten zeigen. Klingt dramatisch? Das wäre es auch absolut! Heikel ist dabei aber, dass sich die Zahl im Vergleich zur letzten BZgA-Studie von 2019, die nur 0,73 Prozent Problemspieler erfasst, mehr als verdreifacht hätte. Dass es für eine so drastische Veränderung keine unabhängige Qualitätskontrolle gab, wirft nach wie vor Fragen auf.

Vier große Kritikpunkte an der Methodik

Statistikexpertin Katherina Schüller hatte sich die Sache genau angesehen und vier zentrale Probleme ausgemacht:

  1. Keine echte Repräsentativität: Befragungen per Telefon und Online-Umfragen haben einen Haken – viele Menschen verweigern die Antwort. Das verzerrt das Bild. Schüller vermutet, dass es in Wahrheit weit weniger Problemspieler gibt als angegeben.
  2. Handwerkliche Patzer: Die Studie verwendete Gewichtungsverfahren, die ungeeignet sind, um realistische Zahlen zu liefern. Auch zufallsbedingte Schwankungen wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
  3. Keine Perspektive auf Entwicklungen: Die Ergebnisse liefern nur eine Momentaufnahme – ohne jegliche Prognosen darüber, wie sich das Spielverhalten künftig verändern könnte.
  4. Null Transparenz: Welche Daten genau erhoben wurden, wie die Befragung ablief und welche Berechnungen letztlich zu den drastischen Zahlen führten? All das bleibt ein Rätsel. Selbst auf Nachfrage erhielt Schüller keine klaren Antworten – ein eindeutiger Verstoß gegen wissenschaftliche Standards.

Irreführendes Gesamtbild

Das Problem an diesen Mängeln: Die meisten Menschen, die die Ergebnisse lesen, werden nicht hinterfragen, wie sie zustande kamen. Laut Schüller führt das zu einem verzerrten Bild, das Glücksspiel in Deutschland gefährlicher erscheinen lässt, als es tatsächlich ist. Die Konsequenz: Die Öffentlichkeit würde – bewusst oder unbewusst – in die Irre geführt. Und das alles auf Basis einer Studie, die wissenschaftlich kaum haltbar sei.

Es könnte gut sein, dass Schüllers Kritik jetzt noch einmal aufgerollt wird.

Fazit: Ein Wendepunkt für den Glücksspiel-Survey?

Natürlich sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Forsa-Erhebung von der Industrie beauftragt wurde – eine gewisse kritische Haltung gegenüber dem Glücksspiel-Survey ist da naheliegend. Dennoch dürfte das kaum die Ergebnisse beeinflussen, denn Forsa ist kein beliebiger Datenanalyst, sondern eine etablierte Größe mit klaren Prinzipien der Neutralität. Würde auch nur der Verdacht aufkommen, dass hier Gefälligkeitsforschung betrieben wurde, wäre das nicht nur rechtlich heikel, sondern würde auch den hervorragenden Ruf des Instituts ruinieren.

Gerade dieser Ruf von Forsa könnte nun entscheidend dazu beitragen, dass der aktuelle Forschungsansatz des Surveys stärker hinterfragt wird. Zwar übernahm Forsa lediglich die alte Methode der BZgA, dennoch hat allein das eine gewisse Signalwirkung: „Wenn die das so machen, sollte die Sache Hand und Fuß haben.“ Wenn dort jetzt – wie geschehen – völlig andere Zahlen herauskommen als beim Glücksspiel-Survey, wackelt die Grundlage der bisherigen Studien.

Übrigens wurde im Sommer 2024 durch die Bremer FDP hinterfragt, ob vielleicht auch der Glücksspiel-Survey selbst nicht ganz unabhängig sein könnte und womöglich sogar von gewissen Akteuren der Glücksspielbranche beeinflusst würde.

Quelle des Bildes: Screenshot von https://newsletter.forsa.de/file/0/1909/forsa_glucksspielverhalten_und_glucksspielsucht_2024_zentrale_befunde

Zentrale Textquellen: https://newsletter.forsa.de/file/0/1909/forsa_glucksspielverhalten_und_glucksspielsucht_2024_zentrale_befunde, https://gamesundbusiness.de/forsa-befragung-alarmzahlen-widerlegt, https://gamesundbusiness.de/faz-greift-kritik-am-gluecksspiel-survey-auf

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