EuGH: Schließung der Spielhallen rechtswidrig?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in diesen Tagen ein interessantes Urteil gefällt, welches unter anderem landbasierte Spielhallen in Deutschland betrifft. Genauer gesagt könnte das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-311/19 (Bonver Win) dazu führen, dass die Betreiber von stationären Spielhallen aufgrund der pandemiebedingten Schließung nun Anspruch auf Schadensersatz haben.
Die Richter stellen fest, dass sich die Spielhallenbetreiber auf die Dienstleistungsfreiheit gegenüber nationalen Beschränkungen berufen können. Kurz gesagt: EU-Recht bricht Bundesrecht. Aber welche Konsequenzen können aus dem überraschenden EuGH-Urteil abgeleitet werden und muss die Bundesregierung nun millionenschwere Klagen der Spielhallenbetreiber befürchten? Der Tenor des Urteils ist klar: Die Gesetze der Europäischen Union stehen über denen der Bundesrepublik Deutschland. Die „Europa-Richter“ haben in ihrer Entscheidung vom 3. Dezember 2020 die Dienstleistungsfreiheit bekräftigt. Diese gilt beispielsweise, wenn ein Bürger eines anderen EU-Landes in einer Spielhalle in Deutschland spielen will. Das Entscheidende ist, dass diese Dienstleistungsfreiheit nicht von einem nationalen Recht eingeschränkt werden darf. Damit könnte die pandemiebedingte Schließung der Spielhallen, die nach wie vor andauert, rechtswidrig gewesen sein. In der Konsequenz könnten die Verantwortlichen der Spielhallen von der deutschen Regierung Schadenersatz fordern.
EU-Dienstleistungsfreiheit steht über nationalem Recht
In der Rechtssache C-311/19 (Bonver Win) stellten die Richter des EuGH in Übereinstimmung mit dem Generalanwalt fest, dass sich die Betreiber von Spielhallen auf die Dienstleistungsfreiheit gegenüber nationalen Beschränkungen berufen können. Wenn in einer Spielhalle zumindest gelegentlich ein Bürger aus dem europäischen Ausland zu Gast ist, dann dürfe der verhängte Lockdown nicht für diese Spielhalle gelten. In der Praxis bedeutet das also, dass alle Spielhallen sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können und daher eine flächenmäßige Schließung rechtswidrig ist. Schließlich sind zumindest gelegentlich in fast jeder deutschen Spielhalle auch einmal andere EU-Bürger zu Gast. Fraglich war bis zur Urteilsverkündung, inwieweit der Infektionsschutz als Begründung für die strengen Maßnahmen ausreicht.
Infektionsschutz als Begründung unzureichend
Die EU-Richter waren sich einig, dass der Infektionsschutz nicht als universelle Begründung für die Schließung aller Spielhallen ausreicht. Stattdessen müsse unter anderem die Exekutive jeden Tag aufs Neue bewerten, ob die Spielhallen-Schließung zur Bekämpfung der Pandemie richtig und erforderlich ist. Darüber hinaus setzt die Schließung der Spielhallen voraus, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist. Um also überzeugend zu begründen, dass alle Spielhallen geschlossen werden müssen, wären Erkenntnisse darüber erforderlich, dass sich das Virus in Spielhallen tatsächlich ausbreitet. Angesichts der strengen Hygiene- und Abstandsregeln, die nicht nur hierzulande in Spielhallen gelten, wäre eine solche Bewertung wohl nicht möglich. Der Rechtsanwalt Rolf Karpenstein etwa äußert sich zum Thema wie folgt:
„Das von der Exekutive und den Gerichten zur Rechtfertigung des Lockdowns verwendete Schlagwort „Infektionsschutz“ ist inhaltsleer und zu unbestimmt, um die Negation der Grundfreiheiten legitimieren zu können“ (vgl. EuGH, Altmark Trans).
Im Ergebnis bleibt also festzustellen, dass die Bundesregierung erhebliche Probleme dabei bekommen wird, die Notwendigkeit der Spielhallen-Schließungen überzeugend zu begründen. Erst kürzlich wurde deutschlandweit wieder ein harter Lockdown beschlossen, der natürlich auch wieder die Schließung der Spielhallen und Spielbanken vorsieht. Die Maßnahme ist vorerst bis zum 10. Januar 2021 befristet.
Staatliches Lotto ja – privates Glücksspiel nein?
Weiterhin stellt der EuGH fest, dass staatliche Lotterieannahmestellen weiter offenbleiben dürfen, während Spielhallen und Spielbanken bundesweit schließen mussten. Damit liegt auf jeden Fall eine ungerechte Behandlung der privaten Spielhallenbetreiber vor.
Öffnen die Spielhallen jetzt wieder?
Trotz des überraschenden Urteils des Gerichtshofs mit Sitz in Luxemburg ist vorerst nicht mit einer Öffnung der Spielhallen in Deutschland zu rechnen. In der Zeit vom 16. Dezember bis zum 10. Januar 2021 gilt nämlich erst einmal wieder ein flächendeckender Lockdown, der unter anderem die Schließung des Einzelhandels und der stationären Spielhallen und Spielotheken vorsieht.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden jedoch zahlreiche Spielhallenbetreiber nun rechtliche Schritte prüfen und versuchen, Schadensersatz zu erhalten. Sobald das der Fall sein wird, könnte die Politik zurückrudern und Spielhallen wieder öffnen. Das dürfte jedoch noch einige Zeit dauern. Aber wenn auch noch zahlreiche Spielotheken, Spielbanken und Spielhallen einen Schadensersatz in Millionenhöhe zugesprochen bekommen, dürfte der Lockdown zu einer noch größeren finanziellen Herausforderung für den Staat werden. Nichtsdestotrotz sollte nach wie vor der Infektionsschutz stets höchste Priorität haben, um Menschenleben zu schützen und möglichst schnell wieder zur Normalität zurückkehren zu können.
Fazit
Immer häufiger müssen sich inzwischen auch Gerichte mit den Auswirkungen der Pandemie beschäftigen. Das aktuelle Urteil der EU-Richter zeigt jedoch, dass auf nationaler Ebene allerdings nicht alles beschlossen werden darf. Es gilt nämlich der bekannte Grundsatz: EU-Recht vor Bundesrecht. Der EuGH hat nun festgestellt, dass die Dienstleistungsfreiheit dazu führt, dass der verhängte Lockdown für Spielhallen rechtswidrig gewesen sein könnte. Zumindest aber könnte die Regierung aufgefordert werden, gegenüber den Spielhallenbetreibern Schadensersatz zu zahlen. Der Rechtsanwalt Rolf Karpenstein aus Hamburg fasst die Situation aus unserer Sicht sehr treffend zusammen: „Unterstellt, die Coronabeschränkungen, würden legitime Ziele des Gemeinwohls verfolgen, ist nämlich kaum ein Geschäftsort besser als eine Spielhalle geeignet, den direkten Kontakt zwischen Menschen zu unterbinden“. Wobei uns natürlich doch noch ein Ort einfallen würde, an dem tatsächlich überhaupt kein Infektionsrisiko gegeben ist: die Online-Glücksspielanbieter.
Quelle des Bildes: https://pixabay.com/de/photos/fahne-europa-flagge-eu-europäisch-2608475/
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10 Kommentare zu: EuGH: Schließung der Spielhallen rechtswidrig?
Kommentar verfassendenisezokkt
Die werden nur bei Zeiten merken, das die ihr Geld für die... Investition der Umrüstung der automaten und der generellen Anpassung des neuen Gesetzes, sinnlos aus dem Fenster gehauen haben. Früher oder später werden die diese Regelung lockern müssen.
Allein weil die lang genug gesehen haben, was denen durch die Lappen geht wenn so läuft, wie bisher.
-und nun eben nicht mehr so Konstant.
Bin Mal gespannt. Mehr anzeigen
Christian_1994
30.12.2020 um 13:36 UhrKatharina2
26.12.2020 um 11:41 Uhrkann von Deutschland nicht nach Belieben gebrochen werden, indem man
Casino-Spiele ganz streicht und nur noch Spielotheken zulässt. Hier muss der
Zugang... zu europäischen Casinos und Einhaltung der Dienstleistungsfreiheit
gewährt werden. So jedenfalls bekämpft man keine Sucht. Und wenn Spielsucht
über der Dienstleistungsfreiheit stehen sollte, sollte man alle Glücksspiele in
Deutschland verbieten, aber auch alle, außer Sportwetten als die realsten und
nachvollziehbaren. Die tun noch etwas für ihr Geld. Mehr anzeigen
Falko
26.12.2020 um 02:30 UhrChristian_1994
30.12.2020 um 13:34 UhrAnonym
25.12.2020 um 11:49 UhrBinGOLDiG
Anonym
25.12.2020 um 10:07 UhrIn... Deutschland gilt die Regel, dass die Betreiber eine Schadenersatzforderung in Höhe von 70/75 Prozent ihrer Einnahmen aus dem letzten Jahr geltend machen können. Die Personalkosten fallen in diesem Zusammenhang nicht für die Betreiber an, da vom Staat Kurzarbeitergeld gezahlt wird.
Inwieweit man jetzt noch einen Anspruch hat auf Schadenersatz, wüsste ich nicht. Wäre auf jeden Fall ziemlich dreist. Mehr anzeigen
B****3
Christian_1994
30.12.2020 um 13:30 UhrUnsere Community lebt von deinem Feedback – also, mach mit!
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