Der ehemalige EU-Justizkommissar Didier Reynders steht im Verdacht, Hunderttausende Euro über Glücksspieleinsätze gewaschen zu haben. Die Ermittlungen laufen bereits einige Wochen. Bislang ist nicht klar, wo das Geld herstammt. Reynders hüllt sich in Schweigen. War eine Glücksspielsucht ausschlaggebend oder stecken andere, womöglich dubiose Gründe dahinter?

Geldwäsche war im Glücksspiel schon immer ein heikles Thema, das durch die heutigen digitalen Möglichkeiten noch einmal mehr Relevanz bekommen hat. Online-Plattformen, elektronische Transaktionen oder Kryptowährungen bieten trotz der starken Aufrüstungsmaßnahmen von Glückspielanbietern, Finanzdienstleistern und Strafverfolgungsbehörden zahlreiche Schlupflöcher. In unserer Berichterstattung haben wir uns schon vor einiger Zeit gefragt, wie einfach Geldwäsche im Online Casino wirklich ist.

Brisante Ereignisse kommen immer wieder vor, wie etwa erst Anfang 2025, als die australische Finanzbehörde AUSTRAC in einer Pressemitteilung bekanntgab, dass die bwin-Mutter Entain gegen die Geldwäsche- und Terrorfinanzierungsgesetze in Down Under verstoßen haben soll. Aber selten gibt es so viel Aufmerksamkeit in der Mainstream-Presse wie im Fall des ehemaligen EU-Kommissars Didier Reynders.

Bis vor einigen Wochen bekleidete der Belgier das Amt des EU-Justizkommissars. Jetzt steht er selbst im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Laut Brüsseler Generalstaatsanwaltschaft laufen Ermittlungen gegen Reynders wegen des Verdachts auf Geldwäsche in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, die über die belgische Nationallotterie abgewickelt worden sein sollen. Nähere Details zu den Hintergründen wurden von offizieller Seite bisher nicht veröffentlicht. Reynders hält sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.

Investigative Medien und überregionale Zeitungen berichteten, dass mehrere Wohnungen durchsucht wurden und Reynders sich einem Polizeiverhör unterziehen musste. Dabei ginge es zentral um die bislang fragliche Herkunft von rund einer Million Euro. Seine Ehefrau wurde ebenfalls dazu befragt. Die Untersuchungen erstrecken sich auch auf Transaktionen außerhalb der Nationallotterie.

Reynders selbst führt sein Verhalten auf eine Spielsucht zurück. Die Nationallotterie ist anderer Meinung. Offenbar hatte man den Politiker schon einige Jahre im Blick. Hier gibt’s die ganze Story.

Der Jäger wird zum Gejagten

Tatsächlich war Didier Reynders einst belgischer Finanzminister und hatte damit nicht nur die Aufgabe, Geldwäsche zu unterbinden, sondern auch die staatliche Lotterie zu beaufsichtigen – genau jene Institution, über die nun die verdächtigen Transaktionen gelaufen sein sollen. Als EU-Justizkommissar lag es später an ihm, Korruption in Europa einzudämmen. Mit den aktuellen Vorwürfen erscheint sein politisches Lebenswerk in einem völlig neuen, äußerst zweifelhaften Licht. Verstieß er als oberster Hüter der Integrität wirklich selbst gegen Prinzipien, die er zu verteidigen hatte? Das wäre schon ein Hammer.

So soll Didier Reynders über Jahre Geld mit Glücksspielen gewaschen haben

Während andere auf ihr Glück beim Lottospielen hoffen, scheint Didier Reynders es jahrelang geradezu herausgefordert zu haben: Nämlich mit auffälligen Spielgewohnheiten, die nun die Ermittler auf den Plan riefen. Der frühere EU-Kommissar soll eine simple, aber effektive Methode genutzt haben, um hohe Bargeldsummen durch die belgische Nationallotterie zu schleusen.

  • Laut den bisherigen Erkenntnissen kaufte Reynders über Jahre hinweg sogenannte E-Tickets. Dabei handelt es sich um digitale Gutscheine im Wert von 1 bis 100 Euro, die sich auf ein Spielerkonto bei der Lotterie transferieren lassen. Ein erheblicher Teil dieser Voucher soll in bar bezahlt worden sein. Reynders spielte mit dem Guthaben und übertrug die Gewinne von seinem digitalen Konto bei der Nationallotterie schließlich auf sein persönliches Girokonto.
  • Auch seine Ehefrau nutzte diese Strategie. Laut Presseberichten schöpften die beiden die maximal erlaubte jährliche Einzahlung von 25.000 Euro mit ihren Lotterie-Accounts fast aus und waren damit nicht untätig. Ihre Einsätze machten sich offenbar bezahlt, denn jedes Jahr sollen auf ihren Konten mindestens 15.000 Euro an Gewinnen verbucht worden sein.

Die Nationallotterie selbst war es, die den Fall ins Rollen brachte. Die internen Warnsysteme schlugen bei den Aktivitäten der Reynders an, wovon die nun unter Beobachtung stehenden Spieler natürlich nichts mitbekamen. Sie setzten ihr Vorgehen in gleicher Manier fort – bis die Sache letztlich an die Brüsseler Generalstaatsanwaltschaft ging.

Die Behörden suchen nach Antworten, Reynders weist derweil alle Vorwürfe von sich. Sein Anwalt ließ verlauten, dass sein Mandant keine illegalen Aktivitäten betrieben habe. Eine eigene Erklärung? Fehlanzeige.

Neben den Lotterie-Transaktionen rückten auch gewisse Bankgeschäfte ins Interesse der Ermittler. Belgischen Medien zufolge wurde über eine Million Euro in bar eingezahlt, wobei sich verdächtige Geldbewegungen bis ins Jahr 2010 zurückverfolgen lassen. Satte 200.000 Euro nutzte Reynders laut den Berichten für den Kauf von Lotterie-Losen. Die übrigen 800.000 Euro verteilte er auf verschiedene Bankkonten. Die Herkunft des Geldes bleibt dabei völlig ungeklärt.

Apropos „Medienberichte“ und „Geldwäsche“: Im Dezember 2022 gab’s in der SZ einen interessanten Artikel mit dem Titel „Wieso die Mafia Fan von Maltas Online Casinos ist“, den wir uns einmal genauer angesehen haben.

Reynders stand offenbar schon länger im Fokus der Behörden

Neue Informationen legen nahe, dass Didier Reynders‘ Spielverhalten schon seit einigen Jahren auf dem Radar der belgischen Nationallotterie war und diese längst die Behörden eingeschaltet hatte.

  • Im belgischen Bundesparlament wurde zuletzt hitzig über die Wirksamkeit der Kontrollmechanismen der Nationallotterie diskutiert. Wie konnte ein derart auffälliges Muster über Jahre hinweg unbehelligt bleiben? Die Lotterie reagierte auf die Kritik mit scharfen Worten und einem 12-seitigen Memo, in dem sie sich gegen das stellte, was sie als „ungerechtfertigte Angriffe auf ihren Ruf“ bezeichnete. Darin betont das Unternehmen, dass bereits 2022 eine „sehr gründliche Untersuchung“ durchgeführt wurde und man die Käufe den zuständigen Stellen gemeldet habe.
  • Reynders‘ Muster war schon ein Jahr zuvor erstmals aufgefallen. 2021 bemerkte die Nationallotterie, dass eine einzelne Verkaufsstelle außergewöhnlich viele elektronische Gutscheine ausgab – so viele, dass eine interne Prüfung eingeleitet wurde. Das Ergebnis war brisant: Die meisten dieser E-Tickets ließen sich auf zwei Spielerkonten zurückverfolgen, die einer „politisch sensiblen Person“ zuzuordnen waren. Der Verdacht erhärtete sich, und die Lotterie zog externe Experten hinzu.
  • Die renommierte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG wurde mit einer weiterführenden Analyse beauftragt. Ihre Erkenntnisse gipfelten schließlich im März 2022 in einem offiziellen Bericht an die Bundesstaatsanwaltschaft.
Trotz des immer schwerer werdenden Verdachts auf Geldwäsche konnte die Nationallotterie nach eigenen Angaben kaum etwas gegen die Vorgänge unternehmen. Eine Blockierung der betreffenden Spielerkonten bzw. eine Sperrung der E-Voucher-Verkäufe hätte laut den Verantwortlichen die gerichtlichen Ermittlungen beeinträchtigt. Zudem verwies man auf eine technische Hürde: So würden die Verkaufsstellen mit unabhängigen Zahlungsprozessen arbeiten, die nicht direkt über die Systeme der Nationallotterie laufen. Dadurch sei es für die Lotterie schlicht unmöglich gewesen, zu überprüfen, wie die E-Gutscheine bezahlt wurden.

In einem ziemlich kuriosen Fall aus dem Frühjahr 2024 wurde ein 26-jähriger Azubi der Geldwäsche beschuldigt, weil er Gewinne von einem in Deutschland illegalen Online Casino auf sein Bankkonto überwiesen bekam.

Spielsucht oder cleverer Schachzug? Reynders‘ Erklärung wirft Fragen auf

Laut belgischen Medienberichten soll Reynders während der Vernehmungen angegeben haben, dass er unter einer Spielsucht leide. Daher sollen die regelmäßigen Glücksspielinvestitionen rühren, die sich schließlich auf rund 200.000 Euro summierten. Diese Version ist für die Gegenseite jedoch alles andere als überzeugend.

Besonders die Verantwortlichen der Nationallotterie zeigen sich skeptisch. Ein pathologischer Spieler, der sein Vermögen in Losen und E-Tickets versenkt? So läuft das nicht, sagen Experten der Branche: Ein echter Spielsüchtiger handelt impulsiver, setzt unüberlegt und jagt viel irrationaler dem nächsten Gewinn hinterher. Reynders‘ Vorgehen scheint hingegen eher strategisch und war über Jahre hinweg immer gleich. Das passe kaum ins klassische Muster.

Vielmehr erinnere die Masche an Personen, die Schwarzgeld durch das System schleusen wollen. Diese nehmen, wie es in der Presse zu lesen ist, selbst hohe Verluste von 30 Prozent und mehr in Kauf, weil ihnen letztlich nicht der Gewinn wichtig sei, sondern die Möglichkeit, fragwürdige Bargeldquellen zu verschleiern.

Reynders selbst bleibt nach wie vor wortkarg. In einer ersten knappen Mitteilung an die Nachrichtenagentur Belga hieß es vonseiten seines Anwalts, dass Reynders vor dem zuständigen Richter „alle notwendigen Erklärungen über die Verwaltung seines Privatvermögens“ abgeben werde. Die strafrechtlichen Vorwürfe wurden „formell bestritten.“ Seit Wochen ist der einst wortgewandte Politiker, aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Kann Reynders wirklich überzeugend belegen, dass hinter seinen millionenschweren Lotterietransaktionen keine dubiosen Machenschaften stecken? Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher scheint eine solche Aufklärung. Die Spielsuchtargumentation hinkt schon jetzt gewaltig. Die kommenden Wochen könnten Klarheit bringen – oder das Netz der Widersprüche noch enger ziehen.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/photos/money-laundering-money-finance-7782671/

Zentrale Textquellen: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ermittlungen-geldwaesche-reynders-100.html, https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.geldwaesche-das-grosse-schweigen-des-didier-reynders.fbcf9faa-e093-41d5-bad8-fb434fa8cfa5.html, https://www.vrt.be/vrtnws/de/2024/12/06/geldwaesche-ermittlungen-gegen-ex-eu-kommissar-reynders-summe-v/, https://www.vrt.be/vrtnws/de/2024/12/11/die-nationallotterie-reagiert-auf-die-moeglichen-geldwaescheprak/

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1 Kommentar zu: Früherer EU-Kommissar der Geldwäsche durch Glücksspiel beschuldigt

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Das ist die Doppelmoral der Politiker,Wasser predigen und selber Wein saufen.Für mich persönlich sind die alle nur noch Heuchler und Blender.
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