Drahtzieher von Schweizer Zahlungsdienst Antepay vor 171-Millionenstrafe wegen illegalem Glücksspiel
Der Fall Antepay schildert weit mehr als nur einen simplen Verstoß gegen die Schweizer Glücksspielgesetze. Journalisten und Ermittler haben ein beeindruckendes Netzwerk aufgedeckt, in dessen Zentrum ein Prepaid-Bezahldienst und diverse illegale (Online-)Spielstätten standen. Vier der Hintermänner wurden kürzlich zu mehrjährigen Gefängnisaufenthalten und einer unglaublichen Strafzahlung von 171 Millionen Schweizer Franken verurteilt. Sie sollen mit ihren Machenschaften nicht weniger als 324 Millionen Franken eingenommen haben.
Mitte Dezember wurden vier Männer, die hinter der Bezahlkarte Antepay standen, vom Bezirksgericht Zürich wegen Geldwäscherei und Verstößen gegen das Schweizer Glücksspielgesetz zu saftigen Strafen verurteilt.
Das ist aber noch nicht alles:
- Das Gericht verhängte Freiheitsstrafen zwischen zwei und vier Jahren – teils auf Bewährung, teils unbedingte Haft. Und dabei saßen einige der Herren schon anderthalb Jahre im vorzeitigen Strafvollzug.
- Für einen der Beteiligten wurde es sogar während der Verhandlung brenzlig – ein kurzer Rückzieher beim Geständnis sorgte für scharfe Worte des Staatsanwalts. Das Ergebnis: Das Schuldbekenntnis kam schneller zurück, als der Richter „Fall abgeschlossen“ sagen konnte.
- Klingt nach einer spannenden Geschichte? Abwarten, es wird noch besser: Wer hätte gedacht, dass „Antepay“ einst auf den Trikots des FC Zürich, einem der prestigeträchtigsten Fußballvereine des Landes, prangte? Während sich die Mannschaft die Bälle zuspielte, liefen im Hintergrund die Geldströme heiß.
Erst vor kurzem haben wir darüber berichtet, wie sich die österreichische „Kajot“-Bande jahrelang der Strafverfolgung entziehen konnte.
Jetzt gibt’s nicht nur Geld- und Haftstrafen für die Beteiligten, sondern obendrein beschlagnahmten Schmuck und andere eingezogene Sachwerte, um zumindest einen Teil der entstandenen Kosten zu decken. Denn eines scheint festzustehen: Die 171 Millionen plus die Verfahrensaufwände von noch einmal rund 200.000 Franken pro Person können die Verurteilten wohl kaum aufbringen.
REFLEKT-Recherchen brachten den Fall Antepay ins Rollen
Manchmal braucht es nur einen Funken, um ein gigantisches Feuer zu entfachen. Im Fall Antepay war dies eine anonyme E-Mail, die am 26. Januar 2021 um 9:54 Uhr bei den Investigativ-Journalisten von REFLEKT landete. Der Inhalt? Sprengstoff pur. Der Nachrichtenschreiber behauptete, dass der damalige Trikotsponsor des FC Zürich – Antepay – keine gewöhnliche Firma, sondern das Produkt organisierter Kriminalität im Glücksspielmilieu sei.
Die Sache erschien den Journalisten umgehend spannend, war aber alles andere als einfach. Der Absender versprach weitere Informationen bei einem persönlichen Treffen, tauchte dann aber nie auf. Und das war erst der Beginn einer nervenaufreibenden Recherche, bei der Informanten kamen, brisante Details lieferten – und genauso schnell wieder verschwanden. Ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem offensichtlich große Angst vor Repressalien herrschte.
Hier der ganze Fall Antepay direkt bei REFLEKT.
Zwischen offizieller Fassade und Schattengeschäft
- Der Schein trügt: Offiziell war Antepay eine Guthabenkarte für Onlineshops. Doch statt Schmuck oder Elektronik wurden damit allermeistens Konten bei illegalen Glücksspielseiten aufgeladen. Die Online Casinos und Sportwettenportale sollen sogar unmittelbar von den Verantwortlichen des Bezahldienstes erstellt und gemanagt worden sein. So ließen sich maximale Gewinne erzielen.
- Seriöse Shop-Partner? Fehlanzeige: Die angeblichen Partner-Shops wie „Sweet Date“ oder „JumboJewel“ existierten kaum oder hatten keinen Umsatz mit Antepay. Selbst der Versuch, solche Shops ausfindig zu machen, scheiterte häufig – sie waren Fassade und sonst nichts.
Eine weitere kuriose Geschichte aus der Schweiz: Um das Casino Pfäffikon entbrannte 2024 ein hitziger 11-Millionen-Streit.
Einblicke in den Spielbetrieb
Der Bericht einer Polizeikontrolle aus dem Jahr 2019 brachte ans Licht, wie es in den Spielstätten mit Antepay-Karten ablief:
- Zugang war nur über versteckte Eingänge möglich, überwacht von Kameras.
- Spieler tauschten Bargeld gegen Antepay-Guthaben, das sie daraufhin vor Ort für Einsätze auf Glücksspielseiten nutzten.
- Die Polizei beobachtete regen Betrieb – und verzeichnete eindeutige Interaktionen mit illegalen Online Casinos.
Ein Urteil, viele offene Fragen: Im anschließenden Verfahren wurde Antepay einbezogen. Die Verantwortlichen behaupteten jedoch, ihr Dienst wäre für die betreffenden Glücksspielzwecke missbraucht worden. Doch diese Theorie bröckelte schnell.
Übrigens: Kürzlich enthüllte der BR mutmaßliche Berliner Verbindungen zu illegalen Online Casinos. Wir haben uns gefragt, wie klar die Beweise sind?
Ein unglaublicher Sponsoring-Deal
Und dann war da noch der FC Zürich, dessen Trikots zwischen 2019 und 2021 mit dem Antepay-Logo prangten. Der Verein gab später zu, sich bei der Sponsorenauswahl auf externe Berater verlassen zu haben.
FCZ-Präsident Ancillo Canepa zeigte sich enttäuscht: „So etwas würde uns heute nicht mehr passieren.“
Von Antepay zu Gecko Card – das Spiel geht weiter
Nach der Pleite von Antepay tauchte schnell ein Nachfolger auf: die Gecko Card. Mit neuen Namen, aber ähnlichem Konzept und sogar teils identischer Infrastruktur. Eine verdächtige Kontinuität:
- Webseiteninhalte der Gecko Card waren 1:1 von Antepay übernommen, inklusive falscher Sponsoring-Behauptungen.
- Spieler berichteten, dass die Gecko Card genauso wie ihr Vorgänger vor allem für illegales Glücksspiel genutzt wurde.
Übrigens erreichte die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) diesen Herbst einen herausragenden Erfolg im Payment-Blocking gegen einen nicht weiter genannten Schweizer Zahlungsdienstleister.
Täuschend seriös: Schweizer Spielerschutz im Impressum
Besonders dreist: Die vermutlich zu Antepay gehörigen illegalen Glücksspielseiten verwiesen in ihren Impressen auf eine Schweizer Spielerschutzstelle – eine echte Beratungsadresse, die mit der Sache rein gar nichts zu tun hatte.
Spieler, die Probleme mit Auszahlungen oder Einzahlungen hatten, landeten Hilfe suchend dort. Ein perfider Trick, der die Glaubwürdigkeit der Seiten steigern sollte und gleichzeitig die Verfolgung der Drahtzieher erschwerte.
Der schwer zu greifende Boss
Ein Informant brachte Licht ins Dunkel: Hinter dem Netzwerk steckte ein Mann aus dem Kanton Zürich. Er galt als Kopf der Organisation, war aber kaum zu lokalisieren.
Trotz eines Schweizer Wohnsitzes und Firmenregistrierungen entglitt er den Journalisten immer wieder. Hinweise führten zu einem Lokal in Zürich, wo er sich angeblich regelmäßig aufhielt – doch dort war nur Schweigen angesagt.
Auch das Oberhaupt des Hagener Spielhallen-Clans konnte erst nach langer Fahndung festgenommen werden.
Deal mit einem Gemüsehändler gab vermutlich den entscheidenden Impuls
Wie eigentlich der gesamte Fall erscheint auch der Weg, der wahrscheinlich zum Knacken des Netzwerks führte, wie aus einem Gangsterfilm: Ein kleiner Supermarkt im Zürcher Langstrassenquartier wurde zur Schlüsselstelle. Der Boss nutzte den Laden, um illegale Gelder in scheinbar legale Transaktionen zu überführen.
Über einen fiktiven Darlehensvertrag sollten 1,6 Millionen Franken weißgewaschen werden. Doch am Flughafen Zürich stellten die Behörden das Bargeld sicher. Der Gemüsehändler konnte seine Geschichte nicht plausibel erklären. Dieser Fehler brachte die Ermittlungen vermutlich entscheidend voran.
Quelle des Bildes: Screenshot von https://reflekt.ch/recherchen/antepay/
Zentrale Textquelle: https://reflekt.ch/recherchen/antepay/
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