Eine gemeinsame Dokumentation diverser Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR), die ursprünglich in der Reihe „ARD Story“ ausgestrahlt wurde, gab jüngst interessante Einblicke in das Geschäft mit Wetten auf den deutschen Amateurfußball. Demnach hat die Abdeckung dieses Wettmarkts tatsächlich immense Ausmaße, wovon jedoch viele Clubs und selbst der DFB bislang nichts ahnten. Es wird berichtet, welche Schlüsselfunktion Datenscouts haben und wie die Reaktion auf Vereinsebene ausfällt.

Die Doku „Angriff auf den Amateurfußball – Die Gier der Wettindustrie“ ist tatsächlich bereits seit dem 14. August 2024 in der Mediathek der ARD zu sehen und wurde am 19. August nach der Übertragung des DFB-Pokals im Programm des Senders gezeigt. Leider war sie trotz der brisanten Inhalte etwas unter unserem Radar geblieben. Im vor kurzem bei GambleJoe erschienenen Artikel "Sind Wetten auf Amateurligaspiele erlaubt?" haben wir den Beitrag oberflächlich angesprochen. Nun wollen wir die erneute Ausstrahlung am 16. September (jetzt in der Serie „NDR Story“ im NDR Fernsehen von 22:00 bis 22:45 Uhr) zum Anlass nehmen, um noch einmal genauer darüber zu berichten.

Denn in der Reportage setzt man sich nicht nur kritisch mit Vorgängen rund um Wettmöglichkeiten auf Amateurspiele auseinander, es kommt auch ans Licht, dass offenbar zahlreiche direkt betreffende Personen und sogar hochrangige Verantwortliche im deutschen Fußball gar nichts darüber zu wissen scheinen. Erst nach den Recherchen der Journalisten kommt zumindest auf Vereinsebene langsam Bewegung in die Sache, was bedeutet, dass erste Maßnahmen erfolgen, um derartige Wetten zu verhindern. Angesichts der Tragweite des Geschäfts, in dem auch europäische Sportwetten-Big-Player kräftig mitmischen, scheint diesbezüglich allerdings ein langer Weg bevorzustehen.

Der Hintergrund: Was bewegt die Öffentlich-Rechtlichen dazu, eine Dokumentation zum Thema zu machen?

In Deutschland sind Wetten auf den Amateurfußball laut Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) von 2021 verboten. Buchmacher mit deutscher Lizenz führen derartige Quoten nicht in ihren Programmen (zumindest nicht für den hiesigen Markt – dazu unten noch genauer). Dennoch gibt es sie, wie Recherchen des Bayrischen Rundfunks (BR) im Zuge der Reportage aufdeckten, bei internationalen Bookies in Massen. Die Clubs oder Spieler haben nichts davon. Auch der Staat erhält keinerlei wettsteuerliche Abgaben. Zudem sollen Amateurspiele eigentlich vorwiegend Hobby, Spaß und Leidenschaft sein. Dass sie derart kommerzialisiert werden, sehen sowohl die Verantwortlichen der Dokumentation als auch der Clubs kritisch. Obendrein steht folgender Kommentar der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) im Raum: Je geringer die Entgelte der Spieler in den Amateurligen ausfallen, desto anfälliger könnten diese für Manipulation sein.

Breite Abdeckung des Amateurfußballs bei internationalen Bookies: Auch Größen wie Betano oder bwin mischen mit

Die breite Abdeckung des deutschen Amateurfußballs auf den Plattformen internationaler Wettanbieter hat sich zu einem stillen, aber lukrativen Geschäft entwickelt. Recherchen von BR und ARD-Radio-Recherche Sport verdeutlichen, dass selbst Vereine der unteren Ligen, die weit abseits des medialen Rampenlichts agieren, im Wettangebot globaler Buchmacher zu finden sind. Darunter sind längst nicht nur Adressen, die sowieso nicht in Deutschland reguliert werden, sondern auch Schwergewichte wie Betano, Interwetten und bwin. Diese Buchmacher, die teilweise sogar als Sponsoren großer Fußballveranstaltungen wie der Europameisterschaft 2024 auftreten, bieten für Hunderte von Amateurspielen umfassende Wettoptionen an – von einfachen Siegwetten bis hin zu komplexen Spezialwetten wie der Anzahl von Ecken, Torschüssen oder gar gelben Karten.

Besonders pikant: Nicht nur die typischen, regulären Pre-Match-Wetten sind verfügbar, sondern auch Echtzeit-Optionen bzw. Live-Tipps, bei denen Quoten je nach Spielverlauf dynamisch angepasst werden. Diese Art von Wettmärkten machen das Geschehen auf dem Platz zu einer permanenten Spekulationsgrundlage, ähnlich wie bei professionellen Begegnungen – mit dem entscheidenden Unterschied, dass hier die Akteure kaum Ahnung von der kommerziellen Ausnutzung ihrer sportlichen Leistung haben.

Was die Situation noch prekärer macht, ist die Tatsache, dass sich die betreffenden Wettangebote auf internationalen Plattformen befinden. Das bedeutet, dass die GGL nur bedingt Einfluss nehmen kann. Obwohl die Glücksspielaufsichtsbehörde offiziell für die Regulierung des hiesigen Markts verantwortlich ist, sehen sich die Zuständigen hier machtlos, da die Buchmacher zwar deutsche Amateurspiele listen, aber ihre Wettportale außerhalb der deutschen Rechtsordnung betreiben. So zieht die Wettindustrie ungehindert Profite. Der in der Doku als Beispiel gezeigte Kirchheimer SC wurde erst durch die externen Recherchen darauf aufmerksam, dass mit seinen Spielen im Ausland Millionen umgesetzt werden.

Datenscouts sorgen für die wichtigsten Informationen: Ein Verein reagiert mit Verweisen

Datenscouts spielen eine entscheidende Rolle im Geschäft mit Tipps auf den Amateurfußball, da sie die wichtigsten Informationen liefern, die es den Wettanbietern überhaupt erst ermöglichen, ihre Quoten oder Optionen in Echtzeit anzupassen und somit sogar Live-Wetten zu schalten. Ohne die mediale Abdeckung, die Profispiele genießen, sind diese Scouts vor Ort unverzichtbar, um zentrale Spielgeschehnisse zu erheben. Sie sammeln und übermitteln Fakten zu sämtlichen Ereignissen auf dem Spielfeld – von Torschüssen, Fouls und Einwürfen bis hin zu Spielerverwarnungen und Auswechslungen.

Ein BR-Reporterteam konnte im Rahmen der Dokumentation einen seltenen Einblick in die Informationsströme zwischen den Sportplätzen und der Wettindustrie gewinnen. Im Zentrum steht dabei der schweizerische Sportdatenriese Sportradar, der als globaler Akteur in diesem Bereich gilt. Allein in der Saison 2023/24 wurden laut BR-Auswertung zu mindestens 2.700 deutschen Amateurspielen Datenscouts entsandt. Entsprechende Fachleute sind mit modernen Geräten ausgestattet, meist Smartphones oder Tablets, mit denen sie die Spielverläufe in Echtzeit erfassen und über das Internet an spezielle Server übermitteln, wo sie dann von den Sportwettenunternehmen weiterverarbeitet werden.

Ein prägnantes Beispiel für den zunehmenden Widerstand gegen diese Praktiken lieferte der bereits angesprochene Kirchheimer SC, der durch die BR-Initiative auf die Anwesenheit von Datenscouts aufmerksam wurde. Nach dem Aufdecken der Aktivitäten reagierten die Vereinsverantwortlichen prompt und machten von ihrem Hausrecht Gebrauch. Ein öffentlicher Aushang am Sportplatz untersagt nun explizit das kommerzielle Sammeln von Live-Daten zu den Spielen.

Unwissenheit und Verständnis für die internationalen Wettanbieter beim DFB

Die Reaktionen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf die Enthüllungen der ÖRR-Dokumentation offenbaren eine Mischung aus Unwissenheit und Akzeptanz gegenüber dem Vorgehen internationaler Wettanbieter. DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann, der für den Amateurfußball zuständig ist, zeigte sich überrascht von den Recherchen. Dass große internationale Buchmacher wie bwin und Interwetten – beides Sponsoren des DFB – auch Wetten auf deutsche Amateurspiele anbieten, war ihm eigenen Angaben zufolge völlig unbekannt. Zimmermann, der selbst regelmäßig Spiele auf Amateurplätzen besucht, äußerte, dass er in seiner jahrelangen Erfahrung nie von einem solchen Wettmarkt gehört habe.

Die Tatsache, dass gerade Unternehmen, die dem DFB als Sponsoren eng verbunden sind, über ihre weltweiten Portale Quoten auf Amateurfußball listen, wirft nicht nur Fragen nach der Transparenz zwischen den Partnern auf, sondern stellt auch das Verständnis und die Verantwortung der Verbandsspitze infrage. Zimmermanns Reaktion, dieses Geschäftsmodell als „legitim“ zu bezeichnen, solange die Wettanbieter die Gesetze des jeweiligen Marktes einhalten, verdeutlicht eine gewisse Akzeptanz gegenüber der globalen Struktur. Diese Aussage spiegelt die rechtliche Grauzone wider, in der sich internationale Anbieter bewegen.

Der DFB scheint in diesem Kontext zwischen wirtschaftlichen Partnerschaften und ethischen Überlegungen zu balancieren: Einerseits will man sich nicht gegen die Sponsoren stellen, andererseits entsteht durch die Monetarisierung des Amateurfußballs durch Wetten ein erhebliches moralisches Dilemma.

Fazit

Dass internationale Buchmacher Sportwetten auf Spiele im Amateurfußball anbieten und die betreffenden Clubs oder der Staat nichts davon haben, ist ärgerlich. Kurios erscheint (zumindest aus Sicht eines erfahrenen Sportwetters), dass Vereine und sogar große Sportverbände, deren tägliches Geschäft immer mehr von Kooperationen mit Wettanbietern gezeichnet ist, keine Ahnung von entsprechenden Vorgängen zu haben scheinen und diese zudem einfach hinnehmen müssen, da die Bookies die Wettoptionen vornehmlich im internationalen Raum bereitstellen.

Egal, ob international rechtmäßig oder nicht – eine Sache ist besonders heikel: Die GGL verbietet Wetten auf Amateurfußball in Deutschland, da sie die Integrität des Sports gefährden sollen. Die Behörde betont in diesem Zusammenhang, dass niedrige Spielerentgelte, wie sie im Amateurbereich die Regel sind, die Anfälligkeit für Manipulationen natürlicherweise erhöhen. Das wird durch mehrere Verdachtsfälle und laufende Ermittlungen untermauert. Beispielsweise stehen seit 2018 sechs Spiele der Bremen-Liga sowie je ein Spiel in zwei weiteren Landesverbänden unter Manipulationsverdacht.  

Quelle des Bildes: Screenshot von https://www.ardmediathek.de/video/story/angriff-auf-den-amateurfussball-die-gier-der-wettindustrie/br/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNjaGVkdWxlU2xvdC8yY2MyNjEzYy00MWYzLTQ4MGYtOWUyMi1hYzQ2ZWVmOTY2MTk

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1 Kommentar zu: ÖRR-Doku beschäftigt sich kritisch mit Wetten auf Amateurfußball

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Wetten haben im Amateursport nichts verloren, die Gefahr der Manipulation ist viel zu hoch. Bei Profis mit einem hohen Einkommen ist die Gefahr bei weitem nicht so hoch.

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