Selbst in regulierten europäischen Märkte wird die Zuordnung von Betreiber- und Eigentümerstrukturen bei Online Casinos schnell schwierig. Ganz zu schweigen von vielen Offshore-Plattformen, die ihre Daten gezielt verschleiern, um in Regionen, für die sie keine Genehmigung haben, unter dem Radar zu bleiben. Nun verschafft ein großes Datenleck spezifische Einblicke in die Welt solcher Unternehmen. Mehrere Zehntausend interne Dokumente sollen zeigen, wie Gesetze in ganz Europa unterlaufen werden und die Behörden machtlos zusehen müssen.

Wenn man bei einem in Deutschland lizenzierten Online Casino etwas über den Betreiber erfahren möchte, kann man einfach ins Impressum schauen. Hierzulande besteht eine entsprechende Aufklärungspflicht. Wem die betreffende Seite wirklich gehört, wird dadurch allerdings noch längst nicht klar. Auch regulierte Glücksspielkonzerne arbeiten oft mit einem bunten Strauß Tochterfirmen für bestimmte Angebotssegmente oder Länder. Bei uns lässt sich das Puzzle immerhin noch zusammensetzen – auch ohne den Kombinationssinn eines Sherlock Holmes.

Aber wehe, wir verlassen die heimischen Gefilde und stoßen auf Plattformen mit Sitz in Curaçao oder Costa Rica.

  • Zwar gibt es häufig noch Firmenangaben auf den Websites, dabei handelt es sich aber in vielen Fällen lediglich um Briefkastenadressen.
  • Behörden stehen regelmäßig vor einer Herkulesaufgabe, wenn es darum geht, rechtliche Schritte durchzusetzen. Und genau deshalb bleiben Verfolgungen auch oft aus.
  • Öffentliche Quellen, etwa das Handelsregister von Curaçao, lassen zwar einsehen, welche Dienstleister auf der Insel die Briefkastenfirmen betreiben. Sie verlieren aber kein Wort über deren Auftraggeber im Hintergrund.
  • Noch einmal schwieriger wird es, wenn Plattformen lokalisiert werden sollen, die ganz ohne irgendeine offizielle Regulierung operieren.

Doch jetzt kommt der Clou: Manchmal sind die Strippenzieher gnädig – oder in diesem Fall ziemlich nachlässig. Denn offenbar hat eine der Organisationen, die in diese Machenschaften verwickelt ist, versehentlich die eigene Schatulle geöffnet. Ein Datenleck, so umfangreich wie heikel, wurde dem niederländischen Investigativ-Magazin „Follow the Money“ zugespielt. Zehntausende Dokumente, die zeigen, wie Briefkastenfirmen in Malta und Curaçao illegal in Europa mitmischen. Verschleierte Eigentumsverhältnisse? Ja. Aber in den Papieren offenbar erstmals erkennbar.

Schnell fand man mit dem Begriff „Casino Papers“ eine passende Umschreibung. Der Ausdruck ist natürlich an die Fälle der „Panama Papers“, „Paradise Papers“ und „Pandora Papers“ angelehnt, bei denen es vor allem um fragwürdige Steuergeschäfte in typische Offshore-Destinationen ging und auch Glücksspielanbieter im Fokus standen (unter anderem Merkur und Novomatic).

Für die in den „Casino Papers“ genannten Unternehmen dürfte es jetzt brenzlig werden. Und wer weiß? Vielleicht gelingt es, durch dieses Leck die rechtliche Verfolgung derartiger Netzwerke endlich insgesamt voranzutreiben. Für den deutschen Markt zeichnen sich gewisse Chancen ab. Wir haben uns diesen spannenden Fall einmal genau angesehen.

Beitrag des österreichischen Nachrichtenjournals „Zeit im Bild“ vom ORF

Der ORF fasst die Enthüllungen der „Casino Papers“ kompakt zusammen:

Zehntausende Dokumente belasten Software-Anbieter Delasport

Willkommen in der Welt von Delasport, einem Software-Unternehmen, das vordergründig der perfekte Geschäftspartner für Online Casinos ist. Hier gibt’s fertige Lösungen, die den Start ins Glücksspiel-Business kinderleicht machen: von der Verwaltung über die Zahlungsabwicklung bis hin zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben – alles aus einer Hand.

Offiziell spielt Delasport dabei in der ersten Liga und wirbt mit Lizenzen aus streng regulierten Märkten wie Großbritannien, Schweden oder der Niederlande. Doch ein Blick in die „Casino Papers“ offenbarte den Journalisten von „Follow the Money“ noch eine ganz andere Seite des Geschäfts.
  • Zehntausende interne Dokumente, die bis ins Jahr 2023 reichen, sollen zeigen, dass Delasport weit mehr als nur technischer Dienstleister ist. Hinter der Fassade eines angesehenen Software-Anbieters steckt offenbar ein Netzwerk von Briefkastenfirmen, die Hunderte von Glücksspielseiten betreiben sollen.
  • Diese fokussieren ganz gezielt Märkte mit strengen Glücksspielgesetzen wie Deutschland, Schweden und Österreich – ohne auch nur eine einzige gültige Lizenz dafür vorzuweisen. Das sind nicht einfach ein paar kleine Verstöße am Rande, sondern systematisches Agieren in einer rechtlichen Grauzone.

Die internen Firmenberichte, die Teil der „Casino Papers“ sein sollen, zeichnen ein beeindruckendes – oder besser gesagt erschreckendes – Bild: Zehntausende Spieler sorgen Monat für Monat für ein Millionenfeuerwerk. Hunderte Millionen Euro an Einsätzen und Millionensummen an Bruttospielerträgen werden offenbart. Ein wahrer Goldrausch, der nun an die Öffentlichkeit gelangt ist und offenbar bewusst auf dem Rücken strenger nationaler Gesetze inszeniert wird.

Malta, Curaçao und die Kunst des Versteckspiels

Malta und Curaçao – zwei Orte, die für die meisten Menschen vor allem nach Urlaub klingen, spielen in den „Casino Papers“ eine ganz andere Rolle. Statt Sonne und Strand geht es hier um Briefkastenfirmen, die als Tarnmäntel für Hunderte von Glücksspiel-Websites dienen sollen. Laut den Enthüllungen betreibt Delasport sein Geschäft über drei solcher „Strohfirmen“: eine an der malerischen Valletta Waterfront in Malta und zwei in Curaçao, dem karibischen Kleinod im Königreich der Niederlande.

Das Geheimnis hinter dem System? Unternehmensdienstleister:

  1. Diese Anbieter kümmern sich nicht nur um die rechtlichen und administrativen Details, sondern stellen auch gleich ihre Büros als „Firmensitz“ zur Verfügung.
  2. Zusätzlich übernehmen sie offiziell die Geschäftsführung. Die Folge: Die tatsächlichen Betreiber der Glücksspielseiten bleiben im Dunkeln.
  3. Was von außen schließlich wie ein reguläres Business wirkt, entpuppt sich als clever verschachteltes Versteckspiel.
Delasport selbst gibt sich auf den ersten Blick transparent: Laut LinkedIn sitzt das Unternehmen offiziell in Malta, hat aber Niederlassungen quer durch Europa. Laut eigenen Angaben beschäftigt man über 400 Mitarbeiter. Der CEO, Avi Shemesh, soll ebenfalls in Malta residieren – genauer gesagt in Sliema. Der Hauptsitz ist offiziell in Bulgarien gemeldet. Und die Malta Gaming Authority (MGA) hat Delasport 2022 sogar eine B2B-Lizenz erteilt. Sie erlaubt es der Marke, als Anbieter im Inselstaat tätig zu sein.
Der wahre Reiz der Valletta Waterfront scheint nicht in der Aussicht auf das Meer zu liegen, sondern in den regulatorischen Vorteilen, die Malta für das Glücksspiel-Business bietet. Selbiges gilt für Curaçao. Die Insel ist berüchtigt für seine laxen Regeln im Glücksspielsektor. Zwar findet derzeit eine Glücksspielreform in Curaçao statt, es ist aber immer noch viel zu tun.

Die „Casino Papers“ legen nun die Karten auf den Tisch und sollen zeigen, wie Delasport von diesen Standorten aus ein Netzwerk aufgebaut hat, das geschickt verschleiert, wer hinter diversen illegal betriebenen Seiten steckt.

Delasport und Casinobetreiber Shark77 gehören offenbar zusammen

Wer an der Valletta Waterfront spaziert, mag kaum glauben, dass hinter der malerischen Kulisse von Vault 14, Level 2 ein Drehkreuz der internationalen Glücksspielindustrie liegt. Mehr als 300 Unternehmen sind dort laut den Berichten zu den „Casino Papers“ registriert – darunter Shark77 Ltd, wo man offenbar enge Verbindungen zu Delasport pflegt.

  • Aus den durchgesickerten Dokumenten geht hervor, dass die Post für Shark77 an eben die obige Adresse zugestellt wird.
  • Von dort aus leitete eine maltesische Firma die Briefe an eine Shark77-E-Mail-Adresse weiter. So weit, so unverdächtig – wären da nicht die Details der Dokumente, die tiefer blicken lassen.
  • Denn ein Mitarbeiter von Shark77, der regelmäßig mit der maltesischen Firma kommunizierte, wechselte zwischen zwei E-Mail-Adressen: Mal verwendete er einen Delasport-Kontakt, mal einen von Shark77. Ein Zufall? Offenbar nicht.
Die internen Informationen zeigen, dass Shark77 drei Websites betreibt: 18Bet, Sportempire und Casinowinbig. Dazu kommen Dutzende weitere Plattformen, die unter der Leitung von zwei Briefkastenfirmen in Curaçao stehen.

Diese Websites sind alle wie das sprichwörtliche Hydra-Monster – für jeden abgeschlagenen Kopf – oder eben für jede gesperrte Domain – wachsen zwei neue nach. Möglich machen das Mirror-Domains, also alternative Adressen, die auf dieselben Inhalte führen. Sobald eine Website von den Behörden „abgestellt“ wird, gelangen die Spieler einfach auf die nächste verfügbare Adresse.

Die Verbindungen zwischen Delasport und Shark77 könnten natürlich auf eine enge Geschäftspartnerschaft zurückzuführen sein. Die „Casino Papers“ lassen aber wohl eher auf eine Doppelrolle schließen, bei der Delasport weit mehr als ein Software-Anbieter ist.

Mit Bellona und NewEra zwei weitere umtriebige Casino-Firmen im Fokus

In der Welt des illegalen Online-Glücksspiels sind Bellona und NewEra durchaus bekannte Player. Beide Firmen haben ihren Sitz in Curaçao. Laut den „Casino Papers“ gehören sie einem gewissen Ilan Shemesh, der wie Delasport-Gründer Avi Shemesh aus Israel stammen soll. Die internationale Presse hat gemutmaßt, dass die beiden miteinander verwandt sein könnten. Das ist aber bislang nur Spekulation. Eines soll laut den Dokumenten aber sicher sein: Die Wege von Delasport und diesen beiden Unternehmen kreuzen sich immer wieder.

Bellona und NewEra betreiben Dutzende Glücksspielseiten, die längst ins Visier europäischer Regulierungsbehörden geraten sind. Tatsächlich sollen die Papiere belegen, dass Delasport dabei nicht nur Software lieferte, sondern auch direkt in das Management der Angebote involviert ist – von Vertragsabschlüssen bis hin zur Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten mit Spielern oder Behörden.
  • Und juristische Auseinandersetzungen gibt es offenbar reichlich: Spanische und niederländische Regulierer haben bereits hohe Geldstrafen gegen die Betreiber verhängt. Die Auszahlung: Fehlanzeige. Zumindest der spanische Markt soll von den Verantwortlichen schließlich aufgegeben worden sein. Das kann womöglich mit dem wirklich harten Kurs zusammenhängen, den die hiesige Glücksspielbehörde fährt: In Spanien sind allein im ersten Halbjahr 2024 über 65 Millionen Euro Strafen gegen Glücksspielanbieter verzeichnet worden.
  • Die deutsche Glücksspielbehörde ist ebenfalls kein Fan der Curaçao-Unternehmen. Die „Casino Papers“ sollen zeigen, dass die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) 2022 in einem offiziellen Schreiben mit Geld- und Gefängnisstrafen drohte, sollten die zahlreichen in Deutschland ohne Lizenz zugänglich gemachten Seiten nicht gesperrt werden. Die Antwort? Nun, sagen wir mal, Bellona und NewEra scheinen sich nicht gerade beeilt zu haben, die Sache zu regeln.
  • Übrigens sollen auch die Websites von Shark77 schon mehrfach abgestraft worden sein: Im Jahr 2022 verhängte die niederländische Glücksspielbehörde gegen die Firma eine Geldstrafe in Höhe von 900.000 Euro, weil sie mit 18Bet illegal im Land tätig war. Die Summe wurde laut den Berichten zu den „Casino Papers“ bis heute nicht bezahlt. Im selben Jahr sollen die dänischen Regulierer die Shark77-Plattform Casinowinbig wegen illegaler Aktivitäten in Dänemark abgemahnt haben.

Könnten die „Casino Papers“ tatsächlich etwas bewegen?

Die schnelle Antwort lautet: Vielleicht.

  1. In Deutschland zum Beispiel spricht die GGL im aktuellen Glücksspielatlas von insgesamt 843 deutschsprachigen Websites, die hierzulande ohne Erlaubnis betrieben werden. Diese registrierten Schwarzmarktangebote erzielen laut Glücksspielsurvey einen Bruttospielertrag von 815 Millionen Euro.
  2. Die Berichte zu den „Casino Papers“ sprechen von Hunderten ungenehmigten Seiten, die vor allem auf Deutschland und einige weitere Kernländer ausgerichtet sind. Sollten diese nun im Nachgang des Datenlecks wirklich abgeschaltet werden und gehen wir bei der Schwarzmarktanalyse von Glücksspielatlas und Glücksspielsurvey von korrekten, belastbaren Zahlen aus (es gibt hier durchaus abweichende Ansichten), würde sich die Zahl der unlizenzierten Plattformen in Deutschland in der Tat signifikant verringern.

Europa- oder sogar weltweit würde damit aber lediglich die aller oberste Spitze eines nur schwer zu fassenden Eisbergs bearbeitet. Gerade in Asien, wo die Glücksspielleidenschaft kaum Grenzen kennt, sollen jährlich unglaubliche 1,7 Billionen Euro allein aus illegalen Sportwetten fließen! Das hatte eine ARD-Doku über die Kooperationen von Bundesligaclubs mit dubiosen asiatischen Wettanbietern nahegelegt. Online Casinos und andere Angebote sind hier noch nicht einmal mitgezählt.

Fazit

Mitte Dezember 2024 berichteten wir über einen ähnlich ausgerichteten Fall: Journalisten des BR stießen auf Verbindungen zwischen dem Berliner Unternehmen SOFTSWISS und illegalen Online Casinos. Auch hier wurde der Firma, die ganz offen und legal Software für in Deutschland nicht lizenzierte Glücksspielunternehmen bereitstellt, vorgeworfen, selbst entsprechende Plattformen zu betreiben. Uns fehlten bei den vorgebrachten Beweisen allerdings einige Details.

Zwar liegen uns die „Casino Papers“ nicht direkt vor, ihre Aussagekraft erscheint aber allein durch die vielen, teils sehr kleinteiligen Berichte eingeweihter Presseorgane deutlich stärker. Delasport verrät sich an diversen Stellen offenbar selbst. Trotzdem gilt noch immer die Unschuldsvermutung. Behördliche Ermittlungen sind uns bislang nicht bekannt. Die Verantwortlichen von Delasport, Bellona und NewEra halten sich gegenüber der internationalen Presse nach wie vor bedeckt. Das letzte Wort ist aber ganz sicher noch nicht gesprochen.

Quelle des Bildes: Screenshot vom Bericht des ORF bei YouTube https://www.youtube.com/watch?v=iWZdDLToAUE&ab_channel=ORFZeitimBild

Zentrale Textquellen: https://www.ftm.eu/articles/illegal-gambling-sites-target-european-users, https://theshiftnews.com/2025/01/07/casinopapers-international-software-provider-operates-gambling-websites-through-malta-shell-company/, https://www.youtube.com/watch?v=iWZdDLToAUE&ab_channel=ORFZeitimBild

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2 Kommentare zu: “Casino Papers“: Datenleck offenbart brisante Strukturen illegaler Online Casinos

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Das herrlichste ist, das Deutschland mit großem großem großem Abstand das Absatzmarkt stärkste Land in ganz Europa von den illegalen Anbietern ist. Das sollte der GGL mal die Augen öffnen..
Ich hab schon immer gesagt das sind alles Gauner, auch die Deutschen Online Casinos. Es geht nur ums Geld und sonst nichts.

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