BR enthüllt Berliner Verbindungen zu illegalen Online Casinos: Wie klar sind die Beweise?
Illegale Online Casinos operieren aus Curaçao, Costa Rica oder anderen Steueroasen der Welt – auf jeden Fall weit entfernt von Deutschland, so die landläufige Auffassung. Nach Recherchen des Bayrischen Rundfunks (BR) stimmt das aber womöglich nicht ganz: Tatsächlich legt der BR nahe, dass ein Software-Unternehmen aus Berlin federführend bei einer ganzen Reihe von unlizenzierten Plattformen ist, die den deutschen Markt fokussieren. Die Journalisten zeichnen komplexe Verbindungen von Firmen auf Malta, Zypern und Curaçao zur Hauptstadt. Wir schauen uns die Sachlage genauer an.
Die deutsche Glücksspielregulierung kämpft an vielen Fronten gegen illegale Anbieter. Der Erfolg ist dabei jedoch begrenzt. Untersagungsverfahren, Zwangsgelder, IP-Blockaden oder Payment-Blocking: All diese Maßnahmen stoßen vor allem bei Plattformen aus Übersee schnell an ihre Grenzen. Die Durchsetzung von Ordnungswidrigkeitsstrafen erweist sich gerade außerhalb der EU als sehr schwierig, Netzsperren können die Anbieter unter anderem durch Änderungen der URLs relativ leicht umgehen und moderne Zahlungsmethoden, vor allem Kryptowährungen, lassen sich kaum kontrollieren. Im Oktober haben wir darüber berichtet, dass die GGL mit Payment-Blocking auch in der Schweiz erfolgreich war.
Umso heikler scheinen die Zusammenhänge, die kürzlich ein Team von Journalisten des BR analysiert und in einem „Exklusiv“-Artikel mit dem Titel „Zocken ohne Regeln“ im Bereich „Investigativ“ auf Tagesschau.de veröffentlicht hat: Wer hätte gedacht, dass sich einige der Strippenzieher direkt in der deutschen Hauptstadt befinden könnten? Laut den Verfassern sei das Berliner IT-Unternehmen SOFTSWISS, das in der Branche wohlbekannt ist, tiefer in die Strukturen unlizenzierter Online Casinos verwickelt, als es auf den ersten Blick scheint. Man bietet dort vor allem Management-Lösungen für Glücksspiel-Plattformen an. Im Sommer 2024 haben wir darüber berichtet, dass SOFTSWISS im Rahmen einer großen Datenanalyse Insider-Einblicke in die Nutzung von Social-Casinos gab.
Bewiesen ist bislang nichts und die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hält sich mit einer Stellungnahme zurück. Die Sache dürfte mit dem Bericht des BR noch nicht abgeschlossen sein. Die zentralen Fragen, die wir uns hier stellen wollen, lauten: Was haben die BR-Journalisten herausgefunden und wie belastend sind die Fakten wirklich?
Was oder wer ist SOFTSWISS?
SOFTSWISS wurde 2009 von Ivan Montik gegründet. Ursprünglich startete das Unternehmen mit einer Online-Auktionsplattform. 2013 führte man als einer der Pioniere dieses Segments eine BTC-optimierte Lösung für den B2B-iGaming-Markt ein. Unter Montiks Leitung hat sich SOFTSWISS zu einem bedeutenden Anbieter von technischer Infrastruktur für die Glücksspielbranche entwickelt.
Zu den Produkten gehören Casino-Plattformen für das Management von Nutzerkonten und Bonusprogrammen, ein Game-Aggregator, der Spiele verschiedener Studios bündelt, sowie eine Lösung für die Verwaltung von Online-Lotto. Zudem stellt SOFTSWISS Programme für Sportwetten und für die Organisation von Jackpot-Aktionen bereit. Das Unternehmen ist international tätig und beschäftigt über 2.000 Mitarbeiter an Niederlassungen in mehreren Ländern, darunter Deutschland, Malta, Polen oder Georgien.
Komplexe Verbindungen und millionenschwere Transaktionen: Dieses Puzzle setzt der BR rund um SOFTSWISS und seine Partner zusammen
Die Vorwürfe des BR gegen das Berliner Unternehmen SOFTSWISS haben es in sich – doch bislang handelt es sich lediglich um Verdachtsmomente. Klar ist: Die Recherchen der Journalisten haben ein dichtes Netzwerk von Firmen und mutmaßlichen Verbindungen ans Licht gebracht, das einige Fragen aufwirft.
- N1 Interactive Ltd. und Dama N.V. im Fokus: Durch die Analyse von Impressumsangaben auf Hunderten von illegalen Casino-Webseiten wurden laut dem BR-Artikel zwei Firmen besonders auffällig: N1 Interactive Ltd. auf Malta und Dama N.V. auf Curaçao. Beide Marken werden gemäß den Recherchen in Gerichtsdokumenten, Unternehmens- und Domainregistern immer wieder in Zusammenhang mit SOFTSWISS oder dessen Gründer gebracht. Im August 2024 haben wir uns übrigens gefragt, wie es sich auf Curaçao lebt.
- Überweisungen in Millionenhöhe: Die BR-Journalisten sehen in den Verbindungen nach Malta und Curaçao komplizierte Geschäftsstrukturen, die laut einem zitierten Experten oft darauf abzielen, Eigentümer zu verschleiern oder Steuerzahlungen zu vermeiden. Ein Überweisungsdokument aus Malta wird genannt, das eine im März 2022 erfolgte Transaktion von N1 Interactive über zwei Millionen Euro an Dama N.V. zeigen soll. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kontostand von N1 Interactive bei mehr als sieben Millionen Euro gelegen – ein Hinweis darauf, dass hier große Summen bewegt werden.
- Im Kundenstamm von Wirecard: Eine weitere Verbindung gehe auf die skandalträchtige Wirecard-Bank zurück. In deren Insolvenzunterlagen taucht SOFTSWISS laut dem BR als Kunde auf – in direktem Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Vorgängerfirma von Dama N.V. Im Jahr 2018 soll letztere über Wirecard Zahlungen in Höhe von etwa 61 Millionen Euro abgewickelt haben, was die Firma zeitweise zu einem der umsatzstärksten Kunden der Bank machte. Auch E-Mails des damaligen Wirecard-Managers Jan Marsalek sollen darauf hindeuten, dass ein eng zusammenarbeitendes Netzwerk bestand. Marsalek habe 2020 persönlich Umsatzberichte dieser Unternehmen angefordert.
- Verdächtige Google-Anzeigen und Domain-Registrierung: Dama N.V. soll im Sommer 2024 Google-Anzeigen für Stellenangebote geschaltet haben – aber nicht für sich selbst, sondern für SOFTSWISS. Das belege das Werberegister des Suchmaschinenprimus. Dazu passe, so der BR, dass eine von Dama betriebene Casino-Domain ursprünglich mit einer E-Mail-Adresse von SOFTSWISS registriert wurde – inklusive des Vornamens des Gründers. Übrigens lässt Google über sein System nur noch Werbung für legale Glücksspiele in Deutschland zu – schon seit September 2024.
Trotz dieser Verkettungen lassen die BR-Journalisten durchblicken, dass bislang viele Fragen offenbleiben. Man stellt eindeutig fest, dass die Unschuldsvermutung gilt.
Fazit
Die Recherchen des BR werfen durchaus berechtigte Fragen zu den Verbindungen von SOFTSWISS und in Deutschland illegalen Online Casinos auf. Bei genauerer Betrachtung wirken einige der vorgebrachten Punkte jedoch weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick scheint.
- SOFTSWISS selbst präsentiert auf seiner Website offen Partnerschaften mit Plattformen, welche eindeutig den Firmen zuzuordnen sind, auf die der BR einen großen Teil seiner Schlussfolgerungen stützt. Dabei wird allerdings durch SOFTSWISS transparent gemacht, dass man bestimmte Dienstleistungen für diese Marken erbracht hat oder weiterhin erbringt. Die vom BR angeführten Transaktionen in Millionenhöhe könnten durchaus plausibel mit umfangreichen Software-Deals zwischen den Unternehmen erklärt werden, ohne dass die Zahlungen zwangsläufig auf eine führende Rolle von SOFTSWISS in den Geschäftstätigkeiten betreffender Casinos hindeuten müssen.
- Gleichzeitig gibt es Aspekte, die kritischer betrachtet werden sollten: Die mutmaßliche Schaltung von Werbeanzeigen durch Dama N.V. im Namen von SOFTSWISS sowie die Registrierung einer Casino-Domain mit einer E-Mail-Adresse von SOFTSWISS könnten tatsächlich auf engere Verbindungen hinweisen. Allerdings bleibt unklar, in welchem Umfang sie tatsächlich eine aktive Rolle von SOFTSWISS bei den Geschäften dieser Plattformen belegen. Hier gibt es weiteren Klärungsbedarf.
Letztlich liefert der BR-Bericht keine eindeutigen Beweise dafür, dass SOFTSWISS die Strippen bei illegalen Anbietern zieht.
Dass die Firma aus Deutschland mit Plattformen zusammenarbeitet, die hierzulande als illegal gelten, ist zweifelsohne fragwürdig, aber nicht automatisch ein Indiz für womöglich strafbares Verhalten. Wie bei vielen Sachverhalten dieser Art bleiben entscheidende Details offen, die für eine exakte Zuordnung essenziell wären. Damit ist der Bericht ein wichtiger Anstoß für weitere Untersuchungen, aber auch ein Beispiel dafür, wie komplex die internationale Glücksspielbranche ist. Nicht zuletzt zeigt er, dass es sich lohnen kann, selbst bei etablierten Presseorganen genauer hinzusehen.
Quelle des Bildes: https://pixabay.com/photos/knowledge-curiosity-confusion-ocean-3255140/
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